Präsident des Bundesverfassungsgerichtes Prof. Dr. Dr. h.c. Papier: Sozialstaat offen für zukunftsorientierten Umbau
Berlin (ots)
Das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes steht einem Umbau der sozialen Sicherungssysteme nicht im Wege sondern erfordert im Gegenteil eine zeitgemäße Neustrukturierung angesichts großer Herausforderungen der demographischen Entwicklung des Arbeitsmarktes und der Globalisierung. Dies betonte der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes Professor Dr. Dr. h.c. Papier anlässlich seines Festvortrages "Zur Zukunft des Sozialstaates" auf der Zentralveranstaltung des Deutschen Zahnärztetages in Berlin, den zuvor der Präsident der Bundeszahnärztekammer, Dr. Dr. Jürgen Weitkamp, feierlich eröffnete.
Da das Grundgesetz keine sozialen Grundrechte, wie z.B. ein Recht auf Arbeit enthält und das Sozialstaatsprinzip bewusst gestaltungsoffen formuliert und dem Gesetzgeber zur Ausgestaltung übertragen wurde, ist die Politik jetzt gefordert, das System der sozialen Sicherung zukunftsfest zu machen. Der Sozialstaat sei keine Garantie für umfassende private Lebensvorsorge des Einzelnen. Es sei vielmehr eine Balance zwischen der vom Grundgesetz geforderten Eigenverantwortung der Bürger und dem sozialen Schutzbedarf des Einzelnen gegenüber existenziellen Lebensrisiken herzustellen.
Anders als die Anwartschaften der Rentenversicherungen, die durch Beitragszahlungen finanziert und damit eigentumsgeschützt, also verfassungsfest sind, besteht im Rahmen der GKV kein Rechtsanspruch auf Erhaltung eines konkreten Leistungsumfanges. Verfassungsrechtliche Grenzen einer Umgestaltung der Krankenversicherung bestehen allenfalls im Hinblick auf vertrauensgeschützte Dispositionen der Versicherten, die diesen einem Mindestmaß der Kontinuitätsgewähr eines adäquaten Versicherungsschutzes garantieren und verhindern, dass es zu Brüchen des Versicherungslaufes kommt. Auch hier würden sich - so Professor Papier - bei einem gesetzgeberischen Systemwandel verfassungsrechtliche Fragen der Verhältnismäßigkeit und des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes z. B. im Hinblick auf die Grenzen der finanziellen Belastung, der Erforderlichkeit von Übergangsregelungen und des Mindestmaßes an Absicherung im Krankheitsfall stellen.
Professor Papier warnte davor, die Fragen sozialer Gerechtigkeit ausschließlich als Probleme des sozialen Ausgleichs in der Gegenwart zu sehen und die Last der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme auf nachkommende Generationen zu verschieben: "Unsere Gesellschaft und mit ihr der Sozialstaat haben seit längerem über ihre Verhältnisse gelebt." Die freiheitliche Dimension des Sozialstaates muss nach Prof. Papier auch in Zukunft Leitbild für Gesetzgeber, Rechtsprechung und Gesellschaft bleiben.
Professor Papier wies mit Nachdruck auf die Grenzen des Sozialstaates hin, da staatliche Überregulierung auch im Bereich des Sozialen lähmend, erstickend oder bevormundend wirken könnten. Im Prinzip der Chancengleichheit, in der sich Eigenverantwortung und Sozialstaatlichkeit verbinden, sieht Prof. Papier die wesentliche und identitätsstiftende Legitimation des Sozialstaates, der heute vor seiner größten Belastungs- und Bewährungsprobe stehe.
"Rasches und entschlossenes Handeln" forderte auch der Präsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), Dr. Dr. Jürgen Weitkamp. Die deutsche Zahnärzteschaft werde auch der neuen Regierung eine konstruktive Zusammenarbeit anbieten. "Wir wollen mit unseren Konzepten dazu beitragen, einen Weg aus der Dauerkrise der vergangenen Jahre zu finden", erklärte Weitkamp anlässlich der Eröffnung der zentralen Festveranstaltung der deutschen Zahnärzte im ehemaligen Preußischen Landtag.
Hinweis für die Redaktionen: Bildmaterial zum Deutschen Zahnärztetag 2005 kann unter http://www.axentis.de/dzt2005_presse01 heruntergeladen werden.
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