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Vor den Landtagswahlen: Die AfD ist wie keine Fraktion zuvor isoliert und provoziert die meisten Zwischenrufe

Vor den Landtagswahlen: Die AfD ist wie keine Fraktion zuvor isoliert und provoziert die meisten Zwischenrufe

Eine Untersuchung aller Sitzungen in den Landtagen von Brandenburg, Sachsen und Thüringen zeigt, dass die AfD nahezu keinerlei Beifall von den etablierten Fraktionen erhält und ihre Redner, insbesondere Alexander Gauland, besonders viele Zwischenrufe provozieren.

Mit den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen endet erstmals eine volle Legislaturperiode, die von AfD-Abgeordneten mitgeprägt wurde. Aus diesem Anlass untersucht eine Studie des Mannheimer Zentrums für Europäische Sozialforschung (MZES), wie sich die Atmosphäre in den Landtagen durch die AfD verändert hat. Dazu wurden alle 1.342 Landtagsprotokolle, die seit Beginn der 3. Wahlperiode in den drei Landtagen veröffentlicht wurden, computergestützt analysiert. In den Protokollen dokumentieren die Stenografen nicht nur wortgenau die einzelnen Reden, sondern auch wer wem Beifall spendet und wer bei welcher Rede dazwischenruft. Über 650.000 solcher Vermerke wurden ausgewertet, um ein komprimiertes Bild der Atmosphäre in den Landtagen zu zeichnen. Die Analyse wurde von Dr. Christian Stecker (Universität Mannheim, MZES), Prof. Andreas Blätte (Universität Duisburg-Essen), Prof. Dr. Jochen Müller (Universität Greifswald) und Marcel Lewandowsky (University of Florida) durchgeführt.

Kein Beifall für Redner der AfD und Zusammenrücken der anderen Fraktionen

Mit Beifall wird in Parlamenten typischerweise Zustimmung ausgedrückt. Wer für wen wie häufig klatscht, verrät daher einiges über die inhaltliche Nähe der Fraktionen. Betrachtet man die Applausmuster in den Landtagen in der letzten Wahlperiode, tritt die Isolation der AfD deutlich zu Tage. Redet jemand von der AfD, bleiben die Hände der anderen Fraktionen fast immer im Schoß. Nur etwa bei jeder fünften Rede von der AfD spenden die anderen Fraktionen Beifall, wobei der Wert für die Unionsfraktion insbesondere in Thüringen etwas höher ist. Umgekehrt hat die AfD vor allem für SPD, Grüne und Linke keine Sympathiebekundungen übrig. Die Union erhält dagegen vor allem in Brandenburg und Thüringen mehr Beifall von der AfD.

"Dass Parlamentsfraktionen in herzlicher Abneigung einander verbunden sind, ließ sich schon vor dem Einzug der AfD beobachten. Die Intensität der beiderseitigen Abneigung von etablierten Parteien und AfD ist aber ein neues Phänomen", erklärt Christian Stecker die empirischen Ergebnisse. Zudem zeigt sich, dass die übrigen Fraktionen durch den Einzug der AfD in den Landtagen näher zusammenrücken. "Der Beifall, den sich Linke und CDU gegenseitig spenden, verdoppelt sich ungefähr zwischen der 5. und 6. Wahlperiode", berichtet Andreas Blätte. Dies weise darauf hin, dass sich selbst die traditionellen Gegenspieler, CDU und Linke, in einhelliger Ablehnung der AfD an der Applausfront treffen können, ergänzt Jochen Müller.

Alexander Gauland jagt die meisten Zwischenrufe

Die Wissenschaftler haben auch genauer analysiert, welche Redner besonders viele Zwischenrufe von anderen Fraktionen provozieren. Dabei liegen Redner der AfD in allen drei Landtagen an der Spitze. Die absolute Spitzenposition in dieser Kategorie nimmt Alexander Gauland ein, der bis zum Einzug in den Bundestag als Fraktionsvorsitzender der AfD in Brandenburg fungierte. "Er wird pro Rede durchschnittlich von fast 130 Zwischenrufen unterbrochen", berichtet Marcel Lewandowsky. Der AfD-Fraktionschef in Thüringen, Björn Höcke, liegt beim Sammeln von Zwischenrufen hinter Stefan Möller (AfD) und Christian Herrgott (CDU) auf Platz 3.

Parlamentsalltag ist durch den Einzug der AfD konfrontativer geworden

"Der Parlamentsalltag ist mit dem Einzug der AfD deutlich konfrontativer geworden und der Umgang zwischen AfD-Parlamentariern und den übrigen Fraktionen ist sehr unterkühlt", fasst Christian Stecker die Ergebnisse der Studie zusammen. Da nach den Wahlen die Sitzanteile der AfD weiter zunehmen werden, könnte sich die Atmosphäre in den Landtagen weiter verschlechtern und ihre Arbeitsfähigkeit behindern.

Weitere Informationen:

Die Studie von Dr. Christian Stecker, Prof. Dr. Andreas Blätte, Prof. Dr. Jochen Müller und Dr. Marcel Lewandowsky finden Sie unter: https://www.mzes.uni-mannheim.de/publications/misc/report_ltws2019.html

Kontakt:
PD Dr. Christian Stecker
Projektleiter
Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES)
Universität Mannheim
Telefon: +49-621-181-2855
E-Mail:  Christian.Stecker@mzes.uni-mannheim.de
https://www.mzes.uni-mannheim.de/d7/de/profiles/christian-stecker

Hannah Laumann / Jana Paasch
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES)
Universität Mannheim
Telefon: +49-621-181-2828 / -2840
E-Mail:  kommunikation@mzes.uni-mannheim.de  
www.mzes.uni-mannheim.de 
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