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Juristin zeigt: Der Schutz zukünftiger Generationen ist bereits im geltenden Recht verankert

Juristin zeigt: Der Schutz zukünftiger Generationen ist bereits im geltenden Recht verankert

Die Verpflichtungen der Politik gegenüber zukünftigen Generationen lassen sich aus der bereits bestehenden Rechtsordnung ableiten . Das zeigt die Mannheimer Juristin Svenja Behrendt in ihrer neuesten Veröffentlichung.

Der Klimawandel ist eine Tatsache und eine Bedrohung für die Menschenrechte – das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Anfang April dieses Jahres geurteilt. Menschen haben daher unter bestimmten Voraussetzungen das Recht, gegen den Klimawandel zu klagen und können von ihren Regierungen vor Gericht Maßnahmen einfordern. Die Mannheimer Juristin Prof. Dr. Svenja Behrendt beschäftigt sich in einer neuen Veröffentlichung mit der Frage, ob politische Entscheidungsträger*innen bereits jetzt rechtlich verpflichtet sind, die Interessen zukünftiger Generationen zu schützen. Ihr Fazit: Unsere Pflichten gegenüber den künftigen Interessen gegenwärtig oder zukünftig lebender Menschen sind bereits jetzt grundrechtlich verankert. Es bedarf keiner zusätzlichen Rechtsnorm, um eine Pflicht zum Schutz beispielsweise vor den Folgen des Klimawandels positiv-rechtlich zu verankern. Behrendt zeigt, dass die grund- und menschenrechtlich begründbaren Pflichten grundsätzlicher verankert sind, als es in den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und im Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Ausdruck kommt. Der Aufsatz mit dem Titel Facing the Future: Conceiving Legal Obligations towards Future Generations ist in der Fachzeitschrift „Politics and Governance“ Ende April erschienen.

Bisher war umstritten, ob es eine gegenwärtige Pflicht zugunsten noch nicht existierender Akteur*innen gibt – sowohl unter Jurist*innen als auch in der Philosophie. Die gängige Argumentation besagt, dass ein rechtliches Subjekt, das noch nicht existiert, gegenwärtig keine Ansprüche haben kann und dementsprechend auch keine Pflichten ihm oder ihr gegenüber entstehen können. Behrendt widerspricht dieser Annahme: Ihrer Meinung nach lassen sich Ansprüche zukünftiger Generationen durchaus grundrechtlich begründen, weil sich die Rechtsverhältnisse kontinuierlich entwickeln. Zukünftig entstehende Ansprüche können gegenwärtige Pflichten für die heutigen Entscheidungsträger*innen begründen.

Behrendt bemängelt zudem, dass sich aus der bisherigen Annahme lediglich eine Selbstverpflichtung der Gesellschaft ableiten lasse, aktiv zum Schutz zukünftiger Lebensbedingungen beizutragen. „Mit einer Selbstverpflichtung der Gesellschaft kann man den grundrechtlich geschützten Interessen künftiger Generationen nicht wirklich Rechnung tragen“, argumentiert die Juristin. „Wir brauchen vernünftige, klare Ansagen von der Politik, die sich bereits jetzt auf den Wandel hin zu nachhaltigen Verhaltensweisen festlegen sollte“, so Behrendt weiter. Die ganze Gesellschaft, Wirtschaft wie auch Privatpersonen, müssten Planungssicherheit haben. Das ist ein Aspekt, den das Bundesverfassungsgericht 2021 nach Ansicht von Behrendt zu Recht hervorgehoben hat.

Ein solches Verhalten sei nicht nur im Interesse zukünftiger Generationen, sondern auch der heute Lebenden – nicht nur jüngeren Alters. Die durch den Klimawandel bewirkten Veränderungen beeinträchtigen grundrechtlich geschützte Interessen nicht erst in 100 Jahren. Die Belastungen und die sozio-ökonomischen Verwerfungen, die der Klimawandel mit sich bringt und bringen wird, werden sich mal auf komplexe, mal in relativ unmittelbarer Weise manifestieren. Einige Auswirkungen des Klimawandels sind bereits jetzt eingetreten und haben Konsequenzen wie steigende Lebensmittelpreise. In absehbarer Zukunft dürfte die Anzahl von Klimaflüchtlingen gegebenenfalls deutlich steigen. Extremeres Wetter führt zudem zu mehr Naturkatastrophen und wird Versicherungspolicen teurer machen.

Behrendt, S. Facing the Future: Conceiving Legal Obligations towards Future Generations (2024). Politics and Governance: https://www.cogitatiopress.com/politicsandgovernance/article/view/7839/3737

Hintergrund: Seit Februar 2024 ist Svenja Behrendt Inhaberin der Juniorprofessur für Öffentliches Recht. Schwerpunktmäßig forscht sie zu Grund- und Menschenrechten, zum Verfassungs- und allgemeinen Verwaltungs­recht sowie zur modernen Rechts­theorie und -philosophie. Um den Kopf frei zu bekommen, wandert sie durch die Wälder und hört dabei gelegentlich den Soundtrack von Baz Luhrmanns Film „The Great Gatsby“.

Kontakt:
Prof. Dr. Svenja Behrendt
Juniorprofessur für Öffentliches Recht
Universität Mannheim
E-Mail:  svenja.behrendt@uni-mannheim.de  
Yvonne Kaul
Forschungskommunikation
Universität Mannheim
 E-Mail:  kaul@uni-mannheim.de
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