Bahn legt vorläufige Flutschaden-Bilanz vor: Kosten voraussichtlich über 1 Milliarde Euro
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Berlin/Frankfurt a.M. /Dresden (ots)
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Wiederaufbau der Infrastruktur bereits angelaufen - Bahn wird in 2002 noch Aufträge für rund 300 Millionen Euro erteilen - Bahnchef Mehdorn dankt für schnelle und unbürokratische Hilfe der Regierung und der EU
Elf Bahnstrecken noch gesperrt - 200 Bahnhöfe und Haltepunkte in Mitleidenschaft gezogen - Dresden Hauptbahnhof besonders betroffen
Die Hochwasserkatastrophe hat bei der Deutschen Bahn Schäden von mehr als einer Milliarde Euro verursacht. Diese vorläufige Schätzung legte Vorstandsvorsitzender Hartmut Mehdorn heute in Berlin gemeinsam mit Bundeskanzler Gerhard Schröder und Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig vor. Dank der von Regierung und EU zugesagten schnellen und unbürokratischen Hilfe sei der Wiederaufbau der teilweise völlig zerstörten Infrastruktur bereits angelaufen, erklärte Mehdorn. "Der Bahn kommt nun eine Schlüsselfunktion zu," so der Bahnchef, "wir wollen so schnell wie möglich die Mobilität für die Menschen und auch die Wirtschaft wieder herstellen und werden deshalb noch in diesem Jahr Aufträge für etwa 300 Millionen Euro zur Wiederherstellung des Netzes erteilen."
Nachdem sich die Hochwasserlage in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein in den vergangenen Tagen entspannt hat, ist das Ausmaß der Schäden für die Bahn deutlich geworden. Besonders hart getroffen hat es die Bahnanlagen in Sachsen und Sachsen-Anhalt. Extreme Schäden verzeichnet die Bahn im Großraum Dresden, entlang der Elbe, und in den Tälern der Weißeritz, Mulde und Müglitz. Die Gleisanlagen sind hier entweder total zerstört und weggespült oder an zahlreichen Stellen stark beschädigt. Rund 400 Kilometer Gleise waren in Sachsen und Sachsen-Anhalt von der Flut betroffen. Völlig zerstört sind auch Strecken die vor kurzem erst neu gebaut wurden, so etwa die sächsische Strecke Heidenau - Altenberg, wo die Bahn gerade an vier Stationen die Neugestaltung im Rahmen des Sofortprogramms Bahnhöfe begonnen hatte. Stark beschädigt sind zudem rund 130 Kilometer Bahndamm und 94 Brücken, davon müssen zehn Brücken komplett erneuert werden.
"Nach ersten vorsichtigen Schätzungen verzeichnen wir Sachschäden und Erlösausfälle von bislang rund 1,025 Milliarden Euro", erklärte Mehdorn, "aber wir sind mit der Schadensbilanz noch nicht fertig, die verdeckten Folgeschäden an manchen überfluteten Strecken und Anlagen müssen noch ermittelt werden." Gegenwärtig werde geklärt, was davon versichert sei.
Wiederaufbau und Instandsetzung erfolgen in enger Abstimmung mit Bund und Ländern nach einer Prioritätenliste. Ganz oben rangieren hier die Strecken zwischen Leipzig und Dresden sowie zwischen Dresden und Chemnitz, um die Landeshauptstadt des Freistaates Sachsen wieder an das Fernverkehrsnetz anzubinden. Die Strecke Dresden - Freiberg - Chemnitz ist abschnittweise total zerstört; der Bahndamm bei Tharandt ist weggespült, die Gleise sind über Kilometer unbrauchbar, das elektronische Stellwerk ist komplett vernichtet. Mit dem Wiederaufbau der Flutbrücken bei Riesa ist wurde bereit begonnen, ein Gleis soll mit einer Hilfsbrücke voraussichtlich bereits Ende Oktober zur Verfügung stehen. Priorität hat auch die Strecke von Dresden über Schöna in Richtung Prag. Dort werden zur Zeit die Bahndämme und Anlagen untersucht, um die internationalen Verkehre im Personen- und Güterverkehr auf dem direkten Weg möglichst bald wieder aufnehmen zu können. An einigen Strecken wird die Bahn die Baumaßnahmen nicht vor Ende 2003/Anfang 2004 abschließen können.
Vom Hochwasser sind auch rund 200 Bahnhöfe betroffen. Zu den am stärksten geschädigten Stationen gehört der Dresdner Hauptbahnhof. Er wurde meterhoch überflutet, Aufzüge, Heizungs- und Elektroanlagen sind unbrauchbar, die Bahnsteige und das Gebäude selbst stark beschädigt. Besonders stark unter der Flut gelitten haben zudem die Bahnhöfe Eilenburg, Pirna und Bad Schandau. Der Betrieb konnte inzwischen an den meisten Stationen wieder aufgenommen werden. Ausnahmen sind die Strecken Heidenau - Altenberg und Dresden - Klingenberg-Colmnitz sowie Freital- Hainsberg - Kipsdorf. Hier ist ein großer Teil der Bahnhöfe zerstört. Nach ersten Hochrechnungen beläuft sich der durch das Hochwasser verursachte Schaden für die Bahnhöfe auf rund 80 Mio. Euro. Darin enthalten sind die Schäden an den Infrastrukturanlagen und Gebäuden, Erlösausfälle sowie die Kosten für allgemeine Aufräumarbeiten und den zusätzlichen Einsatz von Maschinen und Personal.
Die Bahn hat ihre Planungs- und Baukapazitäten zur Bewältigung der Flutschäden in den betroffenen Regionen konzentriert. Rund 600 Bahnerinnen und Bahner sowie 250 Azubis hatten sich zudem spontan zum freiwilligen Katastropheneinsatz gemeldet. Allein zur Koordinierung von Wiederaufbau und Instandsetzung sind zur Zeit über 100 Spezialisten in Krisen- und Baustäben tätig. Die Arbeitsgruppen tagen regelmäßig mehrfach pro Woche in Dresden. Das Eisenbahn-Bundesamt als Aufsichts- und Genehmigungsbehörde der DB AG ist direkt in die Entscheidungsprozesse der Baustäbe eingebunden, um schnelle Entscheidungen zu sichern. Bahnchef Mehdorn lässt sich ständig über die Ergebnisse unterrichten: "Der Wiederaufbau unserer zerstörten Infrastruktur ist sowohl bei der Bahn wie auch im Kanzleramt und im Bundesverkehrsministerium Chefsache."
Zur Finanzierung der Maßnahmen haben Bundeskanzler Schröder und Verkehrsminister Bodewig der Bahn nochmals "schnelle und unbürokratische Hilfe" zugesagt. "Dafür bedanke ich mich ausdrücklich", sagte Mehdorn, "auch dafür, dass der Bundeskanzler bei EU-Kommissionspräsident Romani Prodi für ein Entgegenkommen der EU in Verfahrensfragen gesorgt hat." Die Bahn könne öffentliche Mittel flexibel einsetzen und Aufträge ohne langwierige europäische Ausschreibungen vergeben und daher "unverzüglich loslegen", so der Bahnchef.
Zunächst werden für den Neu- und Wiederaufbau der Bahnstrecken in den Flutregionen vorhandene Mittel für Investitionen in das Bestandsnetz verwendet. Bund und Bahn sind sich einig, dass andere laufende Projekte außerhalb des Krisengebietes dadurch nicht in Frage gestellt sind. "Baustopps würden dort zu Kostensteigerungen führen", so Mehdorn, "und genau das wollen wir nicht." Einigkeit besteht ebenfalls darüber, dass langfristig angelegte Großprojekte des Bundesverkehrswegeplans wie geplant umgesetzt werden. Durch die nötige Umschichtung von Planungs- und Baukapazitäten könne es in einzelnen Fällen möglicherweise zu geringen zeitlichen Verschiebungen kommen, die aber später aufgeholt würden. "Das heißt natürlich, dass wir die Mittel, die wir jetzt in den Hochwassergebieten einsetzen, später wieder brauchen", erklärte der Bahnchef, "denn wir wollen wegen der Flutkatastrophe kein Projekt streichen."
Werner W. Klingberg Konzernsprecher Tel. 0 30/2 97-6 11 80 Fax 0 30/2 97-6 20 86
Hans-Georg Kusznir Sprecher Fahrweg Tel. 0 69/2 65-3 20 00 Fax 0 69/2 65-3 20 07
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Daten und Fakten
Zusammenstellung der wesentlichen Schäden
Das Hochwasser hat in den Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt sowie teilweise auch in Thüringen und Brandenburg unter anderem die folgenden Schäden verursacht:
Bahndämme unterspült/beschädigt: 130 Kilometer
Eisenbahnbrücken beschädigt/zerstört: 94 Brücken (davon 10 zerstört)
Gleise beschädigt/zerstört: 400 Kilometer
Weichen beschädigt/zerstört: 240 Weichen (davon 30 zerstört)
Stellwerke beschädigt/zerstört: 25 Stellwerke, davon 4 Elektronische Stellwerke
Stationen beschädigt/zerstört: 200 Bahnhöfe und Haltepunkte
Lokomotiven beschädigt: 12 Fahrzeuge
Triebzüge Fernverkehr beschädigt: 4 ICE-TD der Baureihe 605
Die Schadensaufnahme ist noch nicht abgeschlossen. Diese Zusammenstellung gibt einen ersten Überblick (Stand 28. August 2002).
Ausgewählte Schadensfälle:
- Abschnitt Dresden - Tharandt der Strecke Dresden - Chemnitz - Werdau ("Sachsenmagistrale") teilweise völlig zerstört - Strecke Heidenau - Altenberg (Müglitztalbahn) abschnittsweise völlig zerstört; 50 % Neubau der Infrastruktur erforderlich - Strecke Borsdorf - Meißen-Triebischtal, erhebliche Schäden über längere Abschnitte, insbesondere Teil Großbothen - Nossen - Schmalspurbahn Freital-Hainsberg - Kipsdorf; weiträumige Zerstörungen auf 70 % der Infrastruktur - Vorflut- und Straßenbrücke bei Riesa auf der Strecke Leipzig - Dresden zerstört - Muldebrücke bei Eilenburg (Strecke Leipzig - Cottbus) eingestürzt - Elektronische Stellwerke Dresden Hbf und Pirna: Elektronik und Kabelanlagen durch Wassereinbruch Totalschaden, ESTW Tharandt Totalschaden - Bahnhof Dresden Hbf: durch Überflutung sehr umfangreiche Schäden an Gebäude, Service-Einrichtungen, 3-S-Zentrale, Bahnsteigen und technischen Anlagen
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