Wissenschaftliches Institut der AOK
Der neue Ärzteatlas zeigt: Nicht ein Mangel an Ärzten sondern die ungleiche regionale Verteilung ist das Problem
Bonn (ots)
Die aktuelle vertragsärztliche Versorgung in Deutschland ist nicht durch einen generellen Mangel an Ärzten sondern durch erhebliche Verteilungsprobleme gekennzeichnet. Dies zeigt der soeben erschienene Ärzteatlas des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). Er stellt erstmals die Versorgungsdichte aktuell und umfassend dar.
Es gibt in Deutschland nicht zu wenig Ärzte, sondern eher zu viele, aber sie sind schlecht verteilt. Es gibt für eine Niederlassung attraktive und weniger attraktive Gegenden und es gibt erhebliche Differenzen im Grad der fachärztlichen und der hausärztlichen Versorgung.
Bei den Facharztgruppen findet sich in zahlreichen Regionen eine deutliche Überversorgung. Die weit überwiegende Zahl der Kreise und Städte ist deshalb für fachärztliche Neuzulassungen gesperrt. Dies gilt auch für die neuen Bundesländer. Vor allem Kreise in strukturell sehr attraktiven Gegenden sind mit den weitaus meisten Fachgruppen überversorgt. Die bestehenden Versorgungsgrade sind zum Teil ausgesprochen hoch. Unterversorgung findet sich im fachärztlichen Bereich bei einigen Arztgruppen gar nicht, bei anderen nur vereinzelt.
Aber auch im vieldiskutierten hausärztlichen Bereich liegt in 306 der insgesamt 395 Planungskreise ein Versorgungsgrad von über 100 % vor. In 150 Kreisen und Städten gibt es sogar Überversorgung. Die bundesweit höchste Versorgungsdichte findet sich in Starnberg (150 %), Freiburg/Breisgau (146 %) und in München (140 %). 64 Planungskreise weisen einen Versorgungsgrad zwischen 90 und 100 % auf. Unterversorgung findet sich lediglich im Saalkreis in Sachsen-Anhalt (68 %). In 24 Kreisen und Städten liegt der Versorgungsgrad zwischen 75 und 90 %. Neun dieser Planungsbereiche liegen in Niedersachsen und sieben in Sachsen-Anhalt. Die Situation in den einzelnen Ländern stellt sich unterschiedlich dar. Während in Berlin, Hamburg, Hessen und dem Saarland die Hausartzahlen durchgängig über dem Soll liegen und vielfach sogar Überversorgung besteht, gibt es in einigen der neuen Bundesländer, und zwar in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt mehrheitlich Planungskreise mit Versorgungsgraden von 75 bis unter 100 %. Angesichts der ungünstigen Alterstruktur der Hausärzte in den neuen Bundesländern muss die Versorgungssituation in diesen Regionen genau beobachtet werden; insbesondere in wenig attraktiven Gegenden müssen Anreize geschaffen werden, um frei werdende Arztpraxen wieder zu besetzen. Daneben gibt es aber auch Städte und Kreise, die mit Hausärzten überversorgt sind. In einigen großen Städten liegt dabei die absolute Zahl der Hausärzte sehr deutlich über dem Soll.
Die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung ist auch Gegenstand verschiedener gesetzlicher Neuregelungen. So sieht das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VändG) Regelungen zur Liberalisierung der vertragsärztlichen Tätigkeit vor. Diese sind allerdings nicht auf unterversorgte Gebiete beschränkt; hier besteht die Gefahr, dass es in bereits gut versorgten Regionen zu einer Ausweitung ärztlicher Tätigkeiten kommt. Das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) sieht ab 2010 unterschiedliche ärztliche Vergütungen bei Über- und Unterversorgung vor, um so Anreize für bedarfsgerechte Niederlassungen zu schaffen. Damit ist erstmals im Gesetz verankert, dass über die Honorierung der Ärzte finanzielle Anreize zum Abbau von Über- und Unterversorgung geschaffen werden. Diesen Ansatz werten die Autoren des Ärzteatlas grundsätzlich positiv, denn Maßnahmen, die eine flächendeckende Sicherstellung der Versorgung für die Bevölkerung gewährleisten wollen, müssen unbedingt das Ungleichgewicht der Verteilung in den Blick nehmen. Vor diesem Hintergrund gewinnt das Wissen um das konkrete regionale Versorgungsangebot bei Vertragsärzten an Bedeutung, wozu der Ärzteatlas einen Beitrag leisten soll.
Die Autoren Joachim Klose, Isabel Rehbein und Thomas Uhlemann haben das regionale Versorgungsangebot an Vertragsärzten erstmals umfassend transparent gemacht. Für die 14 größten Arztgruppen werden aktuelle regionale Versorgungsgrade in den insgesamt 395 Planungsbereichen Deutschlands kartografisch ausgewiesen und so auch das Ausmaß an Über- und Unterversorgung differenziert dargestellt. Städte und Kreise mit sehr hohen und sehr niedrigen Versorgungsgraden werden explizit benannt. Grundlage für die Versorgungsgrade bilden die Richtlinien der Bedarfsplanung, die Ärzte und Krankenkassen gemeinsam festlegen. Des weiteren werden in der Publikation jeweils arztgruppenspezifisch u. a. die langfristige Entwicklung der Arztzahlen, die Altersstruktur der Ärzte und die Zu- und Abgänge (Zulassungsbeginn/Zulassungsende) in den letzten Jahren dargestellt.
Die WIdO-Publikation "Ärzteatlas. Daten zur Versorgungsdichte von Vertragsärzten", von Joachim Klose, Isabel Rehbein und Thomas Uhlemann, ISBN-13 978-3-922093-44-2, kann direkt beim Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) bezogen werden. ( Tel.: 0228/843-131; Fax: 0228/ 843-144; E-Mail: ursel.heller@wido.bv.aok.de ).
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