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Arzneimittel-Atlas keine Hilfestellung für die Ärzte

Bonn (ots)

Der von der pharmazeutischen Industrie in Auftrag
gegebene"Arzneimittel-Atlas" liefert Ärzten und Apothekern keinen 
Nutzen für eine wirtschaftliche Arzneimitteltherapie. Zu diesem 
Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Wissenschaftlichen Instituts 
der AOK (WIdO). Die Kritik der Arzneimittelexperten des WIdO bezieht 
sich insbesondere auf eine mangelhafte wissenschaftliche Grundlage. 
Der Arzneimittel-Atlas werte Mengenzuwächse im Arzneimittelmarkt ohne
ausreichende Daten- und Studienlage als angemessen. Zudem werde das 
Thema wirtschaftlicher Fehlversorgung weitgehend ausgeblendet.
Der vom Verband forschender Arzneimittelhersteller (VFA) erstmals 
2006 finanzierte und als Alternative zum seit 20 Jahren jährlich 
erscheinenden Arzneiverordnungs-Report gedachte Arzneimittel-Atlas 
liefert laut WIdO-Analyse Interpretationen, die durch die zugrunde 
liegenden Arzneimitteldaten nicht gestützt werden. Wie der als 
Standardwerk etablierte Arzneiverordnungs-Report wertet der vom 
Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES) im Auftrag des 
VFA erstellte Arzneimittel-Atlas die ambulanten 
Arzneimittelverordnungen für gesetzlich Krankenversicherte aus. 
Während im Arzneiverordnungs-Report führende Pharmakologen eine 
umfassende Analyse des deutschen Arzneimittelmarktes liefern, 
beschränkt sich der Atlas auf die Analyse von Umsatzveränderungen in 
ausgewählten Medikamenten-Gruppen.
Unzulässige Verknüpfungen
Das WIdO kritisiert die unzulässige Verknüpfung von 
Verordnungsmengen einer Arzneimittelgruppe mit bestimmten 
Erkrankungen. So gehe der Arzneimittel-Atlas beispielsweise ohne 
empirische Grundlage davon aus, dass alle Verordnungen von 
Antidepressiva ausschließlich zur Behandlung von Patienten mit 
Depressionen ausgestellt wurden. Diese Medikamente würden aber auch 
bei weiteren psychiatrischen Erkrankungen sowie zur Therapie von 
Schlafstörungen und chronischen Schmerzen eingesetzt. Gleichzeitig 
treffe der Arzneimittel-Atlas ohne entsprechenden wissenschaftlichen 
Beleg Aussagen zur Therapiedauer. So werde beispielsweise bei 
Depression von einer Behandlungsdauer von 180 Tagen ausgegangen, 
obwohl es dafür keinen empirischen Nachweis gebe. Ein weiterer 
Kritikpunkt des WIdO: Die Autoren des Arzneimittel-Atlas ermitteln 
die Zahl der Patienten mit Behandlungsbedarf zumeist anhand von 
Patientenbefragungen und nicht auf der Basis ärztlicher Diagnosen. So
werde beispielsweise die Zahl behandlungsbedürftiger Männer mit 
Prostataleiden in Deutschland durch eine einzelne Befragung von 
Männern in Herne geschätzt. "Mit Rezeptdaten, die keinen Patienten- 
und Krankheitsbezug haben und mit nicht repräsentativen Befragungen 
lässt sich jedoch weder berechnen, wie viele Patienten etwa an 
Bluthochdruck, Prostatabeschwerden oder Depressionen leiden, noch 
lassen sich weitreichende Schlüsse ziehen, ob diese Patienten 
angemessen medikamentös versorgt werden", so die WIdO-Analyse.
Wirtschaftliche Fehlversorgung vermeidbar
Ausgeblendet wird im Arzneimittel-Atlas der Bereich der 
wirtschaftlichen Fehlversorgung, der mit den vorhandenen Daten 
analysiert werden könnte. So lege der Arzneiverordnungs-Report seit 
vielen Jahren dar, wie sich erhebliche Einsparpotenziale ohne 
Qualitätsverlust in der Therapie realisieren ließen. "Wird etwa der 
gleiche Wirkstoff für die Behandlung einer Krankheit von 
verschiedenen Herstellern angeboten, finden sich in einem 
funktionierenden Markt Preisunterschiede", so das WIdO. So beziffere 
der Arzneiverordnungs-Report 2006 das Einsparvolumen im Bereich der 
Generika auf 1,3 Milliarden Euro. Die Arzneimittelversorgung wäre 
2005 um 1,6 Milliarden Euro preiswerter ausgefallen, wenn anstelle 
teurer patentgeschützter Analogpräparate ohne therapeutischen 
Zusatznutzen preiswerte Generika einer Leitsubstanz der gleichen 
Wirkstoffgruppe verschrieben worden wären. Derartige Einsparungen 
seien ohne Qualitätsverlust in der Therapie erzielbar, kämen im 
Arzneimittel-Atlas jedoch nicht vor.
Arzneimittel-Atlas: Kein praktischer Nutzen
Zusammenfassend stellen die Arzneimittelexperten des WIdO fest, 
dass im Arzneimittel-Atlas Mengenveränderungen im Markt ohne 
ausreichende Daten- und Studienlage interpretiert und Fragen 
wirtschaftlicher Fehlversorgung weitestgehend ausgeblendet werden. 
Damit biete der Arzneimittel-Atlas keinen Fortschritt für die Analyse
des deutschen Arzneimittelmarktes: "Die Akteure im Gesundheitswesen -
vor allem die Ärzte - erhalten keine Unterstützung bei der Suche nach
rationalen Entscheidungen. Die mit dem Arzneimittel-Atlas vorliegende
Marktanalyse ist damit keine Alternative für das etablierte 
Standardwerk Arzneiverordnungs-Report."
Schröder, Nink, Coca, Zawinell, Brückner, Ajanovic;Report oder 
Atlas? Zur Analyse von Arzneimittelverordnungsdaten.Bonn 2007, 1. 
Auflage, 144 Seiten.ISBN-13 978-3-922093-46-6
Vollständige WIdO-Studie unter http://wido.de/arz_report_od_atlas

Pressekontakt:

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