Wissenschaftliches Institut der AOK
Gesundheitsatlas Diabetes: Östliche Bundesländer stärker betroffen
Berlin (ots)
Von den insgesamt 82,7 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern in Deutschland sind 7,1 Millionen Menschen an Typ-2-Diabetes erkrankt. Das entspricht einem Anteil von 8,6 Prozent Typ-2-Diabetikern in der Bevölkerung. Damit ist von dieser Volkskrankheit nahezu jeder Zwölfte betroffen. Der "Gesundheitsatlas Diabetes" des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) macht erstmals deutliche regionale Unterschiede zwischen den mehr als 400 Kreisen Deutschlands transparent: In Heidelberg ist der Diabetikeranteil mit 4,8 Prozent am geringsten, der höchste Wert wird mit 15,4 Prozent in der Prignitz erreicht. Typ-2-Diabetes ist eine altersassoziierte Erkrankung und in Regionen mit mehr älteren Einwohnern stärker verbreitet. Auch ist die Landbevölkerung stärker betroffen als Stadtbewohner. Zudem zeigen die Ergebnisse, dass Diabetes in benachteiligten Regionen häufiger vorkommt. "Die Auswertungen mit Kennzahlen auf Kreisebene können Landräten und Bürgermeistern helfen, ihre regionale Situation einzuordnen und Ansätze zu entwickeln, um die gesundheitliche Versorgung der Bürgerinnen und Bürger vor Ort zu verbessern", sagt Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des WIdO. "Denn vor Ort in den Kommunen werden die Rahmenbedingungen für ein gesundes Leben geschaffen."
Der "Gesundheitsatlas Deutschland" zeigt, dass es beim Anteil der Typ-2-Diabetiker unter der Bevölkerung große Unterschiede zwischen dem Osten und dem Westen Deutschlands gibt. Mit einem eigens entwickelten Hochrechnungsverfahren wird die Häufigkeit des Diabetes mellitus Typ 2 erstmals bis auf die Ebene der mehr als 400 Landkreise und Städte in Deutschland transparent gemacht. In den beiden Bundesländern Hamburg und Schleswig-Holstein liegen die Erkrankungsraten mit 6,4 beziehungsweise 7,3 Prozent am niedrigsten. Die östlichen Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen weisen dagegen verhältnismäßig hohe Raten von jeweils mehr als 11,5 Prozent auf und liegen damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 8,6 Prozent.
Auf der Ebene der Kreise und kreisfreien Städte sind die regionalen Unterschiede noch deutlicher ausgeprägt als auf der Ebene der Länder: Die Erkrankungsraten reichen von 4,8 Prozent bzw. 4,9 Prozent in den baden-württembergischen Städten Heidelberg und Freiburg bis zu 14,9 bzw. 15,4 Prozent in den brandenburgischen Landkreisen Elbe-Elster und Prignitz. Nicht nur im Osten Deutschlands, sondern auch in einigen Kreisen des Saarlands, von Rheinland-Pfalz, Nordbayern, Nordrhein-Westfalen und Hessen zeigen sich Erkrankungsraten, die deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegen. Von den insgesamt 7,1 Millionen Menschen mit Typ-2-Diabetes in Deutschland sind mehr als die Hälfte über 70 Jahre alt. In den Altersgruppen zwischen 80 und 90 Jahren sind mehr als ein Drittel der Männer und Frauen von der Krankheit betroffen.
Landbevölkerung stärker betroffen als Stadtbewohner
Einwohner in ländlichen Regionen sind häufiger an Typ-2-Diabetes erkrankt als solche in städtischen Regionen. So sind 7,6 Prozent der Einwohner in kreisfreien Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnern von Typ-2-Diabetes betroffen, der Vergleichswert in dünn besiedelten ländlichen Kreisen liegt hingegen bei 10,1 Prozent. "Eine maßgebliche Rolle spielt dabei, dass in den ländlichen Regionen häufig eine ältere Bevölkerung mit einem höheren Erkrankungsrisiko anzutreffen ist", so Schröder.
In einem Vergleich zwischen den deutschen Großstädten belegt München mit einem Diabetikeranteil von 6 Prozent den niedrigsten Rang unter den deutschen Großstädten ab 500.000 Einwohnern. Auch Hamburg, Bremen und Berlin liegen alle deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Essen ist mit einem Diabetikeranteil von 9,7 Prozent am stärksten betroffen.
Häufiger Diabetes in benachteiligten Regionen
Auch einen weiteren Zusammenhang, der bereits aus zahlreichen Studien bekannt ist, bestätigt der Gesundheitsatlas: Materiell und sozial benachteilige Menschen erkranken häufiger an Typ-2-Diabetes als Menschen mit einem vergleichsweise hohen ökonomischen und sozialen Status. In Regionen, die nach dem Deprivationsindex des Robert Koch-Instituts einen Mangel an materiellen und sozialen Ressourcen unter Berücksichtigung von Faktoren wie Einkommen, Beschäftigung oder Bildung aufweisen, gibt es auch überdurchschnittlich viele Typ-2-Diabetiker. Bundesweit liegt der Anteil der Typ-2-Diabetiker in diesen ökonomisch und sozial benachteiligten Regionen Deutschlands bei 11,3 Prozent. In Regionen, die im Deutschlandvergleich die beste materielle und soziale Ausgangssituation haben, sind nur 7,0 Prozent Typ-2-Diabetiker zu finden.
Regionen mit hoher Adipositashäufigkeit stärker betroffen
Adipositas (Fettleibigkeit) gilt als ein wesentlicher Risikofaktor für den Typ-2-Diabetes. Dabei zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Adipositas unter den Einwohnern einer Region und dem Vorkommen des Typ-2-Diabetes. Regionen, in denen bei wenigen Einwohnern eine Adipositas vorliegt, haben durchschnittlich eine Diabeteshäufigkeit von 7,2 Prozent. Hingegen sind in Regionen, deren Einwohner häufiger adipös sind, 11,5 Prozent der Einwohner an Typ-2-Diabetes erkrankt.
Modellrechnung zum "fairen" Vergleich der Regionen
Der Gesundheitsatlas Deutschland bietet neben einem Vergleich der tatsächlichen Krankheitshäufigkeit auch eine Modellrechnung, die einen "fairen" Vergleich zwischen den Regionen ermöglicht: Hierbei werden die Unterschiede herausgerechnet, die durch die unterschiedliche Alters- und Geschlechtsstruktur der Bevölkerung in den einzelnen Kommunen des Landes entstehen. In diesem "fairen" Vergleich schneidet der Landkreis Starnberg am besten ab, das Schlusslicht bildet auch in dieser Modellrechnung die Prignitz. "Insgesamt bleiben die großen regionalen Unterschiede bei der Krankheitshäufigkeit im fairen Vergleich bestehen", so Helmut Schröder. Der verglichen mit der Bundesbevölkerung überproportional hohe Anteil älterer Einwohner in den östlichen Ländern erklärt nur einen Teil der hohen Krankheitshäufigkeit. "Vermutlich spielen verschiedene weitere Faktoren eine Rolle - zum Beispiel das regionale Angebot an Grünflächen und Sportanlagen, die körperliche Bewegung ermöglichen, oder das lokale Ernährungsangebot. Hier gibt es noch weiteren Forschungsbedarf".
Der "Gesundheitsatlas Deutschland" steht zum kostenlosen Download auf www.wido.de. Hier finden Sie auch weiterführende Informationen.
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