ots.Audio: Familienland Deutschland
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Wiesbaden (ots)
Das Statistische Bundesamt (Destatis) hat heute in einer Pressekonferenz in Berlin zentrale Daten aus unterschiedlichen Statistiken zur aktuellen Situation von Familien in Deutschland vorgestellt. Über die Bedeutung der unterschiedlichen Familienformen, über Ergebnisse zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie über die finanzielle Situation von Familien sprechen wir mit Karl Müller, Abteilungspräsident im Statistischen Bundesamt.
Frage 1: Herr Müller, die Zahl der Eheschließungen ist seit Jahren rückläufig. Kann man trotzdem immer noch von einer zentralen Rolle sprechen, die der Ehe bei der Familienbildung zukommt?
O-Ton 31 sec: Ja, das kann man. In der Tat ist die Zahl der Eheschließungen seit den 90er Jahren rückläufig und das durchschnittliche Heiratsalter steigt bei Männern und Frauen an. Aber dennoch ist es so, dass die Entscheidung, eine Familie zu gründen, beziehungsweise Kinder zu haben, sehr stark an die Ehe gekoppelt ist. So sind von den im Jahre 2006 in Deutschland geborenen Kindern 70 Prozent in eine Ehe hineingeboren. Und drei Viertel aller Familien mit minderjährigen Kindern sind Ehepaare.
Frage 2: Die traditionelle Familienform Ehe spielt also nach wie vor eine zentrale Rolle bei der Familienbildung. Gilt dies für alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen?
O-Ton 33 sec: Es gibt Unterschiede zwischen Familien mit Migrationshintergrund und solchen ohne Migrationshintergrund. Bei den Familien mit Migrationshintergrund - die im Übrigen 27 Prozent aller in Deutschland lebenden Familien ausmachen - ist die Lebensform der Ehe noch ausgeprägter als bei den Familien ohne Migrationshintergrund. So haben 82 Prozent der Familien mit Migrationshintergrund die Lebensform der Ehe, während es bei Familien ohne Migrationshintergrund nur 71 Prozent sind.
Frage 3: Sie sprechen Familien mit Migrationshintergrund an. Zeigen sich außer bei der Familienform noch andere Unterschiede zu Familien ohne Migrationshintergrund?
O-Ton 27 sec: Ja, bei der Kinderzahl gibt es ebenfalls Unterschiede. Familien mit Migrationshintergrund sind häufig kinderreich. Kinderreich ist so definiert, dass sind Familien mit mindestens drei minderjährigen Kindern. Legt man diese Definition zu Grunde, so sind 16 Prozent der Familien mit Migrationshintergrund kinderreiche Familien, aber nur 9 Prozent der Familien ohne Migrationshintergrund sind kinderreich.
Frage 4: Ein wichtiges Thema insbesondere für Mütter und Väter ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Haben Sie Erkenntnisse darüber, wie Eltern diesen Balanceakt bewerkstelligen?
O-Ton 23 sec: Ja, wir haben Ergebnisse zur Frage, wie Paare - darunter sind Ehepaare und Lebensgemeinschaften zu verstehen - ihr Familien- und ihr Erwerbsleben organisieren. Bei rund der Hälfte der Paare mit mindestens einem Kind unter 15 Jahren arbeiten beide Partner. Bei 35 Prozent der Paare arbeitet nur der Vater und bei 5 Prozent arbeitet nur die Mutter.
Frage 5: Welche Unterschiede bestehen zwischen Müttern und Vätern beim Bezug von Elterngeld?
O-Ton 36 sec: Allgemein lässt sich sagen, dass das Elterngeld bei den Vätern hoch im Kurs steht. Sie nehmen jedoch die Leistungen aus dem Elterngeld deutlich kürzer in Anspruch, als dies die Mütter tun. Der Väteranteil beim Elterngeld ist kontinuierlich gestiegen und beträgt für die im Jahre 2007 geborenen Kinder inzwischen 12 Prozent. Zwei Drittel der Väter, die vor der Geburt des Kindes erwerbstätig waren, haben das Elterngeld nur für zwei Monate in Anspruch genommen. Dagegen haben 85 Prozent der vor der Geburt erwerbstätigen Mütter das Elterngeld für ein Jahr in Anspruch genommen.
Frage 6: Und wie steht es um die Möglichkeiten der Kindertagesbetreuung für berufstätige Eltern?
O-Ton 31 sec: Hier gibt es nach wie vor große Unterschiede zwischen Ost und West, das heißt zwischen den neuen und den alten Bundesländern, insbesondere was die Tagesbetreuung der unter Dreijährigen anbetrifft. Im früheren Bundesgebiet wurde für 10 Prozent der unter dreijährigen Kinder eine Tagesbetreuung in Anspruch genommen. In den neuen Bundesländern waren es 41 Prozent und deutschlandweit waren 320 000 Kinder unter drei Jahren - und somit 16 Prozent der Kinder dieser Altersgruppe - in Kindertagesbetreuung.
Frage 7: Die Lebensbedingungen von Familien sind eng verknüpft mit deren finanziellen Kapazitäten. Gibt es Familien, die stärker armutsgefährdet sind als andere?
O-Ton 28 sec: Eindeutig ja. Alleinerziehende sind stark überproportional von Armutsgefährdung betroffen. Im Jahre 2005 waren 26 Prozent dieser Familien armutsgefährdet. Bei Familien mit mindestens zwei Erwachsenen waren es dagegen nur 9 Prozent. Hinzu kommt, dass ab dem dritten minderjährigen Kind ein erhöhtes Armutsrisiko besteht. So sind 42 Prozent aller Alleinerziehenden mit drei und mehr Kindern armutsgefährdet.
Frage 8: Kommen Familien schlechter mit ihrem monatlichen Einkommen zurecht als Haushalte ohne Kinder?
O-Ton 29 sec: Ich würde sagen ja. Ungefähr 58 Prozent der armutsgefährdeten Familien geben an, nur schlecht mit ihrem monatlichen Einkommen auszukommen. Bei den armutsgefährdeten Haushalten ohne Kinder waren es dagegen nur 45 Prozent. Interessant ist auch, dass 25 Prozent der nicht armutsgefährdeten Familien angeben, Probleme mit ihrem Einkommen zu haben. Bei den nicht armutsgefährdeten Haushalten ohne Kinder sind es dagegen nur 17 Prozent.
Frage 9: Herr Müller, können Sie die Situation von Familien in Deutschland in wenigen Sätzen zusammenfassen?
O-Ton 29 sec: Die Ehe ist nach wie vor die ganz überwiegende Familienform. Bei Familien mit zwei Elternteilen arbeiten häufig beide Partner. Immer mehr Väter nehmen Elterngeld in Anspruch, allerdings für eine deutlich kürzere Zeit als die Mütter. Die Betreuungsquote bei den unter dreijährigen Kindern ist in den neuen Bundesländern deutlich höher als in den alten Bundesländern. Und alleinerziehende und kinderreiche Familien haben tendenziell ein erhöhtes Armutsrisiko.
Vielen Dank, Herr Müller, für Ihre Darstellung der Situation der Familien in Deutschland. Weitere Details können auf der Internetseite www.destatis.de nachgelesen werden.
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