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6. ver.di-Bundeskongress in Berlin: Zuwachs bei Mitgliedern - erfolgreiche tarifpolitische Bilanz - Kritik an Haushalts- und Sozialpolitik der Bundesregierung

Berlin (ots)

Mit einem positiven Ausblick auf die Mitgliederentwicklung im Jahr 2023, einer erfolgreichen tarifpolitischen Bilanz und deutlicher Kritik an der Haushalts- und Sozialpolitik der Bundesregierung hat der 6. Bundeskongress der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) am (Sonntag 17. September 2023) in Berlin begonnen.

Demnach verzeichnet ver.di mit mehr als 140.000 Neueintritten, darunter 35.000 junge Menschen, den höchsten Zuwachs seit Gründung der Dienstleistungsgewerkschaft vor mehr als 22 Jahren. "Wir werden in diesem Jahr auch im Saldo mit einem deutlichen Mitgliederzuwachs von mehreren zehntausend Mitgliedern abschließen", prognostizierte der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke zum Auftakt der Beratungen beim Bundeskongress. Gleichzeitig zog Werneke ein positives Fazit der Tarifrunden des Jahres 2023 und stimmte die Delegierten auf weiterhin harte tarifpolitische Auseinandersetzungen ein.

Die Tarifkämpfe während der Pandemie seien zuweilen "ein Ritt auf der Rasierklinge" gewesen. Mithilfe neuer Instrumente wie Stärketests und der Mobilisierung von "Tarifbotschafter*innen" sei es gelungen, erfolgreicher zu werden, wie etwa die Tarifrunden bei der Deutschen Post, im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen, im ÖPNV, der privaten Energiewirtschaft oder an den Flughäfen beispielhaft zeigten. ver.di werde den "Weg einer konsequenten Vertretung der Interessen der Beschäftigten" weiter beschreiten. So auch in der laufenden Tarifrunde für die rund fünf Millionen Beschäftigten im Einzel- und Versandhandel sowie im Groß- und Außenhandel: Die Arbeitgeber setzten "Himmel und Hölle in Bewegung", um Beschäftigte einzuschüchtern und versuchten, die Organisation "mit Klagen und Schadensersatzforderungen" unter Druck zu setzen. Werneke: "ver.di lässt sich nicht kleinkriegen - im Handel geht was!"

Deutliche Kritik übte der ver.di-Vorsitzende an der Haushalts- und Sozialpolitik der Bundesregierung. "Wir sehen auf ganzer Breite ein Spardiktat zulasten der Bereiche Soziales, Integration und Bildung", sagte Werneke. Es sei eine "fatale Fehlentscheidung", die Schuldenbremse wieder zu aktivieren und gleichzeitig Unternehmenssteuern zu senken. Dies habe dramatische Folgen. "Seit 2005 wächst in Deutschland jedes fünfte Kind in Armut auf. Das ist für ein reiches Land wie Deutschland ein vernichtendes Zeugnis", stellte Werneke klar. Die geplanten 2,5 Milliarden Euro zur Finanzierung der Kindergrundsicherung reichten nicht aus. "Da muss mehr deutlich kommen." Und: "Wir brauchen mehr Investitionen in Schulen, Kitas und Chancen auf dem Arbeitsmarkt", so der ver.di-Vorsitzende.

Auch an anderen Stellen gehe der Haushaltsentwurf der Ampelkoalition in die "völlig falsche Richtung": Die Pflegeversicherung sei "chronisch unterfinanziert", gleichzeitig werde jährlich eine Milliarde Euro an Bundeszuschüssen gestrichen. Bei den Studierenden sollen künftig 440 Millionen Euro und beim Schüler-BAföG 210 Millionen Euro eingespart werden. Bei den Krankenhäusern betrage der Investitionsstau mittlerweile 25 Milliarden Euro, viele Häuser befänden sich auch aufgrund einer unzureichenden Strukturreform in einer "alarmierenden wirtschaftlichen Situation". "Deshalb unterstütze ich die Forderung nach einem Sofortprogramm zur Rettung der Krankenhäuser in Höhe von zehn Milliarden Euro", erklärte Werneke, nur sei dafür im Haushalt kein einziger Euro vorgesehen. "Hier läuft etwas total in die falsche Richtung." Deutschland könne sich das Dogma der Schuldenbremse schlichtweg nicht leisten.

Gleichzeitig begrüßte Werneke die Bundesratsinitiative von Hamburg, die Korrekturen an dem im vergangenen Herbst von der Bundesregierung verabschiedeten Inflationsausgleichsgesetz vorsieht. Spitzenverdiener sollen demnach weniger Steuern sparen und staatliche Einnahmen verbessert werden: "Wir unterstützen das, und ich hoffe sehr, dass sich möglichst viele Bundesländer anschließen", erklärte der ver.di-Chef.

Kritisch sieht ver.di die Rentenpläne der Bundesregierung. Es sei ein Teilerfolg der ver.di-Aktivitäten, dass das Rentenniveau nunmehr bei 48 Prozent festgeschrieben werden solle, sagte Werneke. Allerdings sei der geplante Aufbau des so genannten "Generationenkapitals", bei dem jährlich künftig zwölf Milliarden kreditfinanzierte Euro auf dem Kapitalmarkt angelegt und zudem die Bundesbeteiligungen an Post und Telekom eingebracht werden sollen, um ergänzend zur Rentenfinanzierung beizutragen, nichts anderes als ein Einstieg in einen Systemwechsel, bei dem künftig ein Teil der Rentenversicherungsbeiträge am Kapitalmarkt angelegt werden solle. Werneke: "Stoppt die Zockerei mit unserer Rente!"

Auf dem ver.di-Bundeskongress vom 17. - 22. September 2023 im Estrel Congress Center in Berlin wählen knapp 1.000 Delegierte einen neuen Bundesvorstand sowie einen neuen Gewerkschaftsrat und beraten bis zum Freitag mehr als 900 Anträge zu Gewerkschafts-, Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik. Der ver.di-Bundeskongress tagt alle vier Jahre.

Hinweis für die Redaktionen:

Am Montag (18. September) sind im Anschluss an die Fortsetzung der Debatte zum Geschäftsbericht die Wahlen zum Gewerkschaftsrat sowie zum Bundesvorstand angesetzt.

Am Dienstag (19. September) steht am Morgen die Grundsatzrede des ver.di-Vorsitzenden Frank Werneke auf der Tagesordnung. Nach der anschließenden Aussprache beginnt die Antragsberatung.

Am Mittwoch (20. September) sprechen um 14 Uhr Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales, sowie um 17 Uhr Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz. Am Abend beginnt um 19.15 Uhr der Parteien- und Fraktionsabend mit einer politischen Diskussionsrunde, moderiert von Alexander Hagelüken (Süddeutsche Zeitung).

Pressekontakt:

Jan Jurczyk
ver.di-Bundesvorstand
Paula-Thiede-Ufer 10
10179 Berlin

Tel.: 030/6956-1011, -1012
E-Mail: pressestelle@verdi.de
www.verdi.de/presse

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