Wirtschaftsstandort Ukraine: 43% der deutschen Unternehmen plant neue Investitionen trotz Fortdauer des Krieges
Berlin (ots)
Wesentliche Bedingungen für einen Ausbau der Geschäftsaktivitäten sind politische und wirtschaftliche Stabilität (61% bzw. 51%) sowie die Verfügbarkeit öffentlicher Fördermittel und Garantien (28%)
- Geschäftserwartungen: 42% der Befragten erwarten in den kommenden zwölf Monaten eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage in der Ukraine; 48% erwarten keine Veränderung; 10% gehen von einer Verschlechterung aus
- Investitionsabsichten: 43% der Unternehmen planen neue Investitionen in der Ukraine; lediglich 8% wollen de-investieren
- Chancen: 48% sehen Marktzugang als größte Chance, 39% die Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte und 36% die Beteiligung an Programmen zum Wiederaufbau der Ukraine
- Markteintritt: Mehr als die Hälfte der Befragten nennen Zugang zu lokalen Unternehmensnetzwerken (59%) sowie Zugang zu Marktinformationen (54%) als wesentliche Geschäftsvoraussetzungen
- Herausforderungen: Für 53% ist der fortdauernde Krieg die größte Hürde, für 38% sind es Sicherheitsrisiken für die eigenen Mitarbeitenden und für 31% die lokale Korruption. Das neu in Kraft getretene Mobilisierungsgesetz wird die Verfügbarkeit von Arbeitskräften weiter limitieren.
- Fördermittel nutzen: Deutschland und die EU haben milliardenschwere Förderprogramme aufgesetzt. Aber 35% der deutschen Unternehmen glauben, dass die Mittel für ihre Zwecke ungeeignet sind; 20% haben von den Programmen noch nichts gehört.
Der Wirtschaftsstandort Ukraine wächst trotz des russischen Angriffskriegs nach Angaben des Internationalen Währungsfonds: Während das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Landes im ersten Kriegsjahr 2022 um 29% schrumpfte, erzielt die Ukraine im Jahr 2023 voraussichtlich eine Wachstumsrate von 3,2%. Für 2024 wird ein weiteres Wachstum von 6,5% prognostiziert. Wesentlichen Anteil hieran hat die Kriegswirtschaft, das heißt die Produktion von Waffen und Munition, sowie die Aufrechterhaltung bzw. der Wiederaufbau der von Russland zerstörten Infrastruktur.
Welche wirtschaftlichen Auswirkungen dies auf deutsche Unternehmen hat, zeigt der erstmals erstellte "German-Ukrainian Business Outlook", eine gemeinsame Geschäftsklima-Umfrage von KPMG in Deutschland und der Deutsch-Ukrainischen Industrie- und Handelskammer (AHK Ukraine). Für sie wurden 142 Unternehmen mit bereits bestehenden oder geplanten Geschäftsaktivitäten in der Ukraine befragt.
Geschäftserwartungen sind vorsichtig optimistisch
Das aktuelle Geschäftsklima schätzen deutsche Unternehmen für die Ukraine gemischt ein. Danach bewerten 24% der Befragten die aktuelle Geschäftssituation als gut, aber ebenso viele als schlecht; 52% als weder gut noch schlecht.
42% glauben jedoch, dass sich die Geschäftslage in den nächsten zwölf Monaten verbessern wird. Nur eines von zehn (10%) rechnet mit einer Verschlechterung. 48% rechnen nicht mit wesentlichen Veränderungen.
"Deutsche Investitionen können einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung der ukrainischen Wirtschaft leisten", sagt Nicolai Kiskalt, Partner und Leiter der Country Practice Central Eastern Europe (CEE) bei KPMG in Deutschland. "Als große Industrienation bietet die Ukraine deutschen Unternehmen dafür enormes Potenzial, insbesondere in den Bereichen Produktion, Energie, Pharma sowie IT und Outsourcing."
Knapp die Hälfte der Unternehmen will Investitionen ausbauen
Der Finanzierungsbedarf für die Aufrechterhaltung und den Wiederaufbau der Infrastruktur der Ukraine ist immens. Laut Schätzungen der Weltbank werden sich die Kosten hierfür innerhalb des nächsten Jahrzehnts auf 486 Milliarden US-Dollar[1] belaufen und sowohl öffentliche wie private Mitteln erfordern.
Dass mehr als vier von zehn befragten deutschen Unternehmen (43%) neue Investitionen in der Ukraine bereits in den kommenden zwölf Monaten planen, zeigt, dass sich auch deutsche Unternehmen hieran beteiligen wollen. Lediglich 8% wollen de-investieren.
Chancen in der Ukraine: Potenzial für Wachstum
Nahezu jedes zweite deutsche Unternehmen (48%) bewertet den Zugang zum ukrainischen Markt als Geschäftschance. "Die Ukraine ist eines der großen Länder Europas, hat qualifizierte Arbeitskräfte, vor allem die technisch-naturwissenschaftliche Ausbildung war immer gut. Dazu kommen fruchtbare Böden und eine logistisch günstige Lage für Europa. Das Land ist ein attraktiver Standort für Nearshoring", erklärt Reiner Perau, Geschäftsführer der AHK Ukraine.
39% der Unternehmen schätzen die qualifizierten Arbeitskräfte als Geschäftschance.
"Die Förderprogramme der EU und Deutschland sowie weiterer Länder und Institutionen zum Wiederaufbau der Ukraine eröffnen gerade auch deutschen Unternehmen Geschäftschancen, die in den hierfür relevanten Branchen tätig sind," so Andreas Glunz, Bereichsvorstand International Business bei der KPMG in Deutschland. "Schlüsselsektoren für private Investoren sind die Bereiche Energie und öffentliche Infrastruktur im weitesten Sinne. Bedarf besteht aber auch in diversen Industrien und im Agrarsektor."
36% der befragten Unternehmen erkennen bereits das große Potential dieser Förderprogramme.
Mehr als jedes vierte Unternehmen (28%) benennt zudem den hohen Digitalisierungsgrad der Ukraine inklusive einer exzellent ausgebauten digitalen Infrastruktur und der großen Anzahl von IT-Spezialisten im Land als Geschäftschance.
Politische und wirtschaftliche Stabilität als Grundvoraussetzungen
Politische und wirtschaftliche Stabilität sind für mehr als die Hälfte der befragten deutschen Unternehmen (61% bzw. 51%) die wesentlichen Voraussetzungen für einen Ausbau ihrer Aktivitäten in der Ukraine. 28% nennen die Verfügbarkeit öffentlicher Fördermittel und Garantien als weiteren wichtigen Aspekt.
Zugang zur lokalen Wirtschaft und zu Marktinformationen sind essenziell für den Markterfolg
Als wichtigsten Erfolgsfaktor benennen 59% der befragten deutschen Unternehmen, die ihr Geschäft in der Ukraine auf- bzw. ausbauen wollen, starke Verbindungen zu lokalen Unternehmen und Netzwerken. 54% nennen den Zugang zu umfassenden und zugleich verlässlichen Marktinformationen über die Ukraine sowie 37% sichere und zugleich vereinfachte Geschäftsreisen in die Ukraine.
"Trotz des andauernden Krieges ist die Befragung und das darin bekundete Interesse deutscher Unternehmen für Investitionen in die Ukraine ein gutes Signal. Studien wie diese sind wichtig, um das Wissen über den Wirtschaftsstandort Ukraine zu verbessern und die wirtschaftlichen Beziehungen der beiden Länder zu stärken. Wir bei KPMG in der Ukraine sind uns bewusst, wie wichtig die Anstrengungen zum Wiederaufbau und zur Unterstützung der ukrainischen Wirtschaft sind, und wir arbeiten eng mit unseren Kollegen in Deutschland und der AHK Ukraine zusammen", sagt Andriy Tsymbal, Managing Partner bei KPMG in der Ukraine.
Kriegsrisiken, Sicherheitsgefahren, Korruption und Verfügbarkeit von Arbeitskräften als größte Herausforderungen in der Ukraine
Der anhaltende Krieg in der Ukraine bleibt für langfristige, nachhaltige Investitionen die größte Herausforderung für mehr als die Hälfte der Befragten (53%). Besonders im Fokus stehen die Gefahren für die Sicherheit der eigenen Mitarbeitenden (38%). Fast ein Drittel der Befragten (31%) bewerten Korruption als das drittgrößte Hindernis.
Auch die Verfügbarkeit von Arbeitskräften bleibt während des Kriegs eine große Herausforderung (24%). Das nach dem Ende dieser Befragung beschlossene und bereits in Kraft getretene neue Mobilisierungsgesetz wird die Verfügbarkeit von Arbeitskräften noch einmal weiter limitieren. "Je mehr Leute mobilisiert werden, umso weniger werden für den Wiederaufbau zur Verfügung stehen", so Reiner Perau.
Förderprogramme: Noch nicht im Fokus der Unternehmen
Nach den USA mit EUR 70,4 Milliarden bereitgestellter Mittel für humanitäre, finanzielle und militärische Hilfe, ist Deutschland mit EUR 23,1 Milliarden das mit Abstand zweitgrößte Geberland der Ukraine, weit vor Großbritannien (EUR 15,9 Milliarden), Dänemark (EUR 8,8 Milliarden), Japan (EUR 7,8 Milliarden) und Frankreich mit EUR 6,8 Milliarden.[2]
Die umfangreichen Fördermittel und Garantien aus Deutschland und der EU spielen eine wichtige Rolle bei der Entscheidung für neue Investitionen in der Ukraine. Bisher hat jedoch nur ein kleiner Teil der Befragten (10%) diese Programme genutzt. Ein Viertel (26%) plant, dies in Zukunft zu nutzen. Jedes fünfte Unternehmen (20%) hat allerdings noch nie von den Programmen gehört und 35% glauben, dass die Programme für ihre Zwecke ungeeignet sind. "Die relativ geringe Nutzung bzw. Kenntnis über die bestehenden Förderprogramme unterstreicht die Notwendigkeit umfangreicherer Kommunikation über die bestehenden Fördermöglichkeiten sowie ggf. deren Adjustierung, damit diese von einer größeren Gruppe an Unternehmen genutzt werden," so Andreas Glunz.
Zur Methodik:
Die KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und die AHK Ukraine haben für die Geschäftsklimaumfrage "German-Ukrainian Business Outlook 2024" 142 Unternehmen mit aktuellen oder künftigen Geschäftsaktivitäten in der Ukraine befragt. Der Durchführungszeitraum lag zwischen dem 23. April und dem 12. Mai 2024. Die Fragen konzentrierten sich auf den wirtschaftlichen Ausblick der deutschen Unternehmen in der Ukraine sowie auf deren Herausforderungen und Geschäftschancen.
[1] Weltbank (Februar 2024), Aktualisierte Bewertung des Bedarfs an Sanierung und Wiederaufbau der Ukraine veröffentlicht (worldbank.org)
[2] IfW Kiel - Ukraine Support Tracker (Februar 2024), Daten des Ukraine Support Trackers | Kiel Institut (ifw-kiel.de)
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