Deutscher Bundesverband für Logopädie e. V. (dbl)
Logopädische Versorgung in Teilen Hessens bricht zusammen
Ärzte verweigern medizinisch notwendige Verordnungen aus Angst vor Regressen - auch andere Bundesländer betroffen
Frechen (ots)
"In Teilen Hessens ist die Versorgung der Patienten mit logopädischer Therapie nicht mehr gewährleistet. Insbesondere im Raum Fulda, Marburg, Kassel und Darmstadt erhalten viele Kranke trotz medizinischer Notwendigkeit keine Verordnungen mehr", so der Geschäftsführer des Deutschen Bundesverbandes für Logopädie (dbl) heute in Frechen, Lucas Rosenthal. Dies sei das Ergebnis einer Umfrage unter den logopädischen Praxen in Hessen, die bis zu 40% Verordnungsrückgänge verzeichnen. Dieses Ausmaß sei unter Morbiditätsgesichtspunkten nicht zu erklären und weise auf eine Unterversorgung hin, so Rosenthal.
Betroffen sind Kinder und Erwachsene mit Sprach-, Sprech- und Stimmstörungen. Ihnen bzw. ihren Angehörigen bleibt oft nichts anderes übrig, als von Arzt zu Arzt zu laufen in der Hoffnung, doch noch eine Verordnung zu ergattern. "Dies ist für die Patienten eine unwürdige Situation", so der dbl-Geschäftsführer.
"Die Politik muss endlich handeln. Es geht nicht an, dass sich die gesundheitspolitisch Verantwortlichen, wie beispielsweise die Hessische Sozialministerin Silke Lautenschläger, unter Hinweis auf die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen aus diesem Versorgungsnotstand heraushalten", so Rosenthal. Im übrigen gebe es auch in anderen Bundesländern, zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern oder Nordrhein-Westfalen, immer öfter Klagen von Patienten und Logopäden über Verordnungsverweigerungen unter Hinweis auf die bestehenden Richtgrößen.
Richtgrößen sind arztgruppenspezifische Höchstverordnungsmengen, bei deren Überschreitung dem jeweiligen Arzt ein förmliches Prüf- und Regressverfahren droht. Ende August war bekannt geworden, dass derzeit in Hessen 1100 Arztpraxen davon betroffen sind. "Offensichtlich nehmen viele Ärzte mittlerweile in Kauf, dass ihren Patienten die notwendige Therapie vorenthalten wird, um das persönliche Regressrisiko zu senken und auch, um auf die katastrophale Wirkung des Richtgrößensystems öffentlich aufmerksam zu machen", so Rosenthal. In der Zielsetzung seien LogopädInnen mit den Ärzten einig: Die aktuellen Richtgrößen, sowohl deren Höhe als auch die Art der Organisation, seien kein geeignetes Steuerungsinstrument für Heilmittelverordnungen, so der dbl-Geschäftsführer. Dies gelte umso mehr, als der derzeitige Verordnungsrückgang dazu führe, dass die im nächsten Jahr zur Verfügung stehende Verordnungsmenge pro Praxis sogar noch niedriger ausfallen werde.
Ungeachtet dessen könne es aber nicht angehen, die betroffenen Patienten im Regen stehen zu lassen. "Ein Aphasiker, der nach einem Schlaganfall seine Sprache verloren hat oder ein Kind, das seine Einschulung riskiert, wenn seine Sprachstörung nicht rechtzeitig behandelt wird, haben ein Recht auf logopädische Therapie", so Lucas Rosenthal.
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