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30 Jahre Kinderrechte in Deutschland – UNICEF zieht Bilanz

30 Jahre Kinderrechte in Deutschland – UNICEF zieht Bilanz
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UNICEF: Politik in Deutschland muss das Wohl von Kindern endlich in den Mittelpunkt stellen

KÖLN, 04. April 2022 // Vor 30 Jahren – am 5. April 1992 – ist in Deutschland die UN-Konvention über die Rechte des Kindes in Kraft getreten. Seitdem wurden zwar entscheidende Fortschritte für Kinder erreicht, für zu viele Kinder bleiben aber zahlreiche Kinderrechte weiter außer Reichweite – so UNICEF Deutschland. Schwerwiegend wirken sich insbesondere Kinderarmut, ungleiche Bildungschancen und die Erfahrung von Gewalt auf die Lebenssituation und das Wohlbefinden von Kindern aus. Defizite bei der Verwirklichung der Kinderrechte bestehen in Deutschland zudem bei der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. Die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz ist bis heute nicht gelungen.

„Ohne jeden Zweifel hat die Kinderrechtskonvention eine positive Schubkraft ausgelöst, viel wurde in den vergangenen 30 Jahren für Kinder erreicht. Die Anstrengungen haben aber nicht ausgereicht. Denn bis heute werden zahlreiche Kinderrechte in unserem Land nicht für jedes Kind verwirklicht“, sagt Georg Graf Waldersee, Vorstandsvorsitzender von UNICEF Deutschland. „Angesichts der Krisen, die wir erleben, dürfen die Interessen der Kinder nicht noch weiter aus dem Blick geraten. Deshalb muss die Politik das Wohl von Kindern endlich in den Mittelpunkt stellen. Im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung wichtige Ansätze formuliert, um das Leben von Kindern und Jugendlichen in Deutschland zu verbessern, dazu zählt nicht zuletzt die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz. Diese politischen Vorhaben müssen nun schnell und umfassend umgesetzt werden. Dabei muss die Bundesregierung auch ihrer globalen Verantwortung für die Verwirklichung der Kinderrechte nachkommen.“

Fortschritte und Lücken bei der Umsetzung der Kinderrechte in Deutschland

Durch die Kinderrechte haben sich das Verständnis für Kinder und der Blick auf die Kindheit als entscheidende Phase im Leben eines jeden Menschen in Deutschland geschärft. Wichtige gesetzliche Reformen, mehr Investitionen und die Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen haben das Aufwachsen junger Menschen verbessert. Dennoch stehen in Deutschland weiterhin viele Kinder vor großen Herausforderungen.

  • Strukturelle Umsetzung der Kinderrechte: In Deutschland fehlen nach wie vor Strukturen, um die Kinderrechte und die Perspektive von Kindern und Jugendlichen in Politik und Verwaltung zu verankern. Nötig wären dazu umfassendere Daten zur Situation von Kindern, die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz, zusätzliche Kinderbeauftragte sowie Beschwerdestellen für Kinder und eine systematische Beteiligung von Kindern und Jugendlichen.
  • Kinderarmut: 2019 wuchsen in Deutschland 1,48 Millionen Kinder unter 16 Jahren in relativer Armut auf. Dies entspricht einer Armutsgefährdungsquote nach Sozialleistungen von 12 Prozent. Dies bedeutet zwar einen leichten Rückgang um 2,6 Prozentpunkte im Vergleich zu 2014, trotzdem bleibt die Zahl der Kinder, die von relativer Kinderarmut betroffen sind, hoch. Bestimmte Gruppen wie die Kinder von alleinerziehenden Elternteilen und geflüchtete und migrierte Kinder haben weiterhin ein stark erhöhtes Armutsgefährdungsrisiko. Die Covid-19-Pandemie droht dieses Problem zu verschärfen.
  • Gewalt gegen Kinder: Das im Jahr 2000 in Kraft getretene Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung hat dazu beigetragen, die körperliche und psychische Gewalt gegen Kinder zurückzudrängen. Doch trotz dieser positiven Entwicklung zeigt eine aktuelle Studie der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie Ulm, UNICEF Deutschland und des Deutschen Kinderschutzbundes, dass jede*r Zweite noch immer der Auffassung ist, dass ein Klaps auf den Hintern noch keinem Kind geschadet habe. Jede*r Sechste hält es sogar für angebracht, ein Kind zu ohrfeigen. Zudem leiden weiterhin viele Kinder in Deutschland unter sexueller Gewalt.
  • Bildung: Zu den wichtigsten Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte gehören der im Kinder- und Jugendhilfegesetz festgehaltene Anspruch von Kindern auf den Besuch einer Tageseinrichtung sowie der Ausbau der Ganztagsbetreuung. Die Covid-19-Pandemie hat allerdings aufgezeigt, dass die personelle, technische und finanzielle Ausstattung von Schulen nach wie vor unzureichend ist – insbesondere im Bereich der Digitalisierung. Weiterhin besteht die Herausforderung, dass der Bildungserfolg von Kindern häufig von ihrer sozialen Herkunft abhängt. Dies betrifft insbesondere geflüchtete und migrierte Kinder.
  • Beteiligung: Viele Schulen, Städte und Gemeinden haben zwar bereits Kinderparlamente eingerichtet. Trotzdem werden Kinder und Jugendliche nicht überall und vor allem oft nicht systematisch beteiligt. Die Covid-19-Pandemie hat gezeigt, dass Kinder und junge Menschen bei wichtigen gesellschaftlichen und politischen Prozessen mehr gehört werden müssen.

Politik muss sich stärker am Wohl von Kindern orientieren

Anlässlich des 30. Jahrestags der Kinderrechte in Deutschland appelliert UNICEF an die Politik in Bund, Ländern und Kommunen, sich in den nächsten Jahren klar und noch stärker als bislang am Wohl von Kindern und an der Verwirklichung ihrer Rechte zu orientieren. Aus Sicht von UNICEF Deutschland muss unter anderem sichergestellt werden, dass:

  • die Kinderrechte im Grundgesetz umfassend festgeschrieben werden.
  • Kinderarmut und soziale Ausgrenzung nachhaltig bekämpft werden. Dazu gehören die Einführung einer Kindergrundsicherung und die Umsetzung der sogenannten EU-Kindergarantie, mit der die am meisten benachteiligten Kinder unterstützt werden sollen.
  • die Bundesländer weiter stark in den Ausbau der Kitas und Schulen sowie der Ganztagsbetreuung investieren und dabei auf qualitativ hochwertige Bildungsangebote insbesondere für benachteiligte Kinder setzen. Erforderlich sind vor allem umfassende Mittel für mehr Personal und dessen Qualifizierung.
  • Gewalt gegen Kinder niemals hingenommen und insbesondere das Bewusstsein für psychische Gewalt und ihre gravierenden Folgen geschärft wird. Dazu sind nachhaltige Aufklärungskampagnen und gezielte Prävention notwendig.
  • Kinder und Jugendliche als Expert*innen für ihre eigene Situation und ihre Belange anerkannt werden. Sie sollten umfassend und nachhaltig zu allen Angelegenheiten gehört werden, die sie betreffen.
  • Deutschland seiner globalen Verantwortung nachkommt und weltweit einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung der Kinderrechte leistet.

Service für Redaktionen: Deutschland und die UN-Kinderrechtskonvention

1990 unterzeichnete die Bundesrepublik Deutschland als einer der ersten Staaten der Welt die Konvention über die Rechte des Kindes. Am 5. April 1992 trat die UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland in Kraft. 2010 nahm die damalige Bundesregierung die bei der Unterzeichnung erklärten Vorbehalte zurück. Seitdem ist das Übereinkommen uneingeschränkt gültig. Mit der Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention hat sich Deutschland auch verpflichtet, über die Fortschritte bei der Umsetzung der Kinderrechte regelmäßig Bericht zu erstatten. Der fünfte und sechste Staatenbericht Deutschlands werden im Herbst 2022 vom Kinderrechtsausschuss der Vereinten Nationen in Genf behandelt.

Pressekontakt: 
UNICEF Deutschland, Jenifer Stolz, 030-2758079-18,  presse@unicef.de

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