Jan Bayer: "Wir müssen wieder mutig sein" Axel-Springer-Vorstand für News Media International auf dem Deutschen Medienkongress
Main (ots)
Allensbach entwickelt einen neuen Leistungswert: die "bewusste Reichweite". Das kündigte Axel-Springer-Vorstand Jan Bayer zum Auftakt des Kongresses in der Alten Oper in Frankfurt an. In seiner Rede rief er die Branche zur Rückbesinnung auf. In den Jahrzehnten des Erfolgs habe sie verlernt, was sie einst groß gemacht hat.
Bayer gehörte am Dienstag zu den ersten Rednern beim Deutschen Medienkongress in Frankfurt, und er hatte eine Neuigkeit in petto: Das Institut für Demoskopie Allensbach arbeitet derzeit an einer Studie, mit der eine neue Messgröße in die Medienforschung einführt wird: ein Leistungswert, der für alle Gattungen den gleichen Maßstab ansetzt und berücksichtigt, welche Medienmarken bewusst im Gedächtnis bleiben und welchen Wert diese Marken transportieren. Allensbach nennt diesen Leistungswert "bewusste Reichweite" und grenzt ihn ab zu traditionell gemessenen Reichweiten. Laut Bayer dienten die Studie und vor allem der neue Leistungswert dazu, die Werbebranche zum Nachdenken anzuregen. Dies sei umso notwendiger, weil bei den Werbeausgaben eine nicht zu rechtfertigende Unwucht bestehe. Bayer zitierte die Schätzungen des OMG Preview 2019: Demnach flossen 2018 an Google Werbeerlöse von 3,92 Milliarden Euro und an Facebook 850 Millionen Euro. 2019 werde Google wohl die Hürde von vier Milliarden Euro erklimmen und Facebook die von einer Milliarde Euro. Nur einer könne sich Chancen ausrechnen, diesem Duopol nahe zu kommen, sagte Bayer, doch das seien "nicht wir, sondern Amazon". Tatsächlich seien die auf dem Kongress versammelten Medienunternehmen jedoch "nicht zu klein für die Werbewirtschaft, vor allem nicht zusammen".
In diesem Punkt müsse daher in den Medienhäusern ein Umdenken einsetzen. Heute werde viel geredet, aber bei der Umsetzung hapere es. Dagegen sei ihm im Silicon Valley aufgefallen, dass keiner vom Umsatz rede, keiner von KPIs oder Größe. Stattdessen gehe es immer und allein ums Produkt. Anders sei es in Deutschland. Es beginne schon damit, kritisierte Bayer, dass alle wüssten, dass Zusammenarbeit notwendig sei, am Ende aber das eigene Zutrauen und das gegenseitige Vertrauen kleiner sei als das in Google und Facebook. Das Vertrauen der Nutzer sei existenziell, betonte Bayer. Ohne dies beschleunige sich die Verbreitung sogenannter alternativer Fakten und alternativer Medien und am Ende auch einer alternativen Wirklichkeit. "Dann sind wir Brandbeschleuniger".
Bayer appellierte in Frankfurt an die Medienbranche, mutiger zu handeln, zu agieren statt zu reagieren und vor allem an einem Strang zu ziehen. Das beginne damit, nicht Google und Facebook mehr zu vertrauen als einander, und Werbebudgets nicht ihnen eher zukommen zu lassen als den etablierten Medien.
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