UN-Weltflüchtlingstag
Griechenland: Flüchtlingen droht humanitäre Katastrophe
München (ots)
Immer mehr Flüchtlinge erreichen derzeit mit Schlauch- und Holzbooten die griechischen Ägäis-Inseln. Für die Behörden ist die angemessene Versorgung der Menschen kaum noch zu bewältigen. Auf den Inseln Chios und Lesbos bieten Teams von Ärzte der Welt medizinische Basisversorgung und Beratung an.
737 Flüchtlinge kamen im Januar dieses Jahres auf den griechischen Inseln an, im Mai waren es bereits mehr als 7200. Besonders angespannt ist die Situation auf der Insel Lesbos, die etwa 13 Kilometer von der Türkei entfernt im nordägäischen Meer liegt. Dort warten aktuell etwa 2500 Flüchtlinge auf die Registrierung durch die Behörden. Die meisten von ihnen sind in einem ehemaligen Abschiebegefängnis untergebracht, fünf Kilometer entfernt von der Inselhauptstadt Mytilene. Neben Büros der griechischen Behörden und des UNHCR ist auch das Ärzte der Welt-Team in der ehemaligen Haftanstalt stationiert. Das Team, bestehend aus zwei Medizinern, zwei Krankenpflegern, einer Psychologin und einem Sozialarbeiter, bietet den Flüchtlingen medizinische Betreuung und sozial-psychologische Beratung an. Die meisten Patienten - im März waren es über 650 Konsultationen - waren zwischen 18 und 33 Jahre alt und zu fast 90 Prozent Männer. Einige unbegleitete Kinder und Jugendliche befand en sich ebenfalls darunter. Da das Team lediglich eine medizinische Basisversorgung gewährleisten kann, werden Patienten mit schwerwiegenderen Erkrankungen an das örtliche Krankenhaus überwiesen.
Unterkünfte sind überbelegt
Ein weiteres Ärzte der Welt-Team ist auf Chios tätig. Im Aufnahmezentrum, umgeben von einem hohen Stacheldrahtzaun, ist eigentlich Platz für 110 Menschen - tatsächlich sind dort derzeit über 240 untergebracht. Die Überbelegung führt zu erheblichen sanitären Problemen, die Wasserversorgung ist problematisch, Behälter für Abfall gibt es nicht. Die Ambulanz von Ärzte der Welt, in der ein Arzt und eine Krankenschwester arbeiten, versorgt überwiegend Männer; eine Sozialarbeiterin kümmert sich besonders um Familien mit Kleinkindern. Die häufigsten Krankheitsbilder sind Infektionen und Verletzungen, die bei der Überfahrt entstanden sind. Vereinzelt wird seitens der griechischen Behörden geimpft und auf Tuberkulose getestet.
Traumatisierungen verstärken sich
Angesichts der ständig steigenden Flüchtlingszahlen können die Gesundheitsteams vielen Anforderungen nicht gerecht werden. Professor Heinz-Jochen Zenker, Präsident von Ärzte der Welt Deutschland, besuchte im April die Erstaufnahmezentren auf Lesbos und Chios: "Auf Traumatisierungen mit psychischen Folgen kann in der Kürze der Zeit kaum, in zahlreichen Fällen überhaupt nicht, eingegangen werden. Und Erstaufnahmeeinrichtungen wie das ehemalige Gefängnis auf Lesbos sind so bedrückend und beängstigend, dass viele Flüchtlinge dort zusätzlichen Traumatisierungen ausgesetzt sind." Äußerst problematisch sei die Lage für die Flüchtlinge aber nicht nur auf den Inseln, sondern auch in der Hauptstadt Athen: "Nach Schätzungen von Ärzte der Welt leben dort momentan etwa 50.000 Flüchtlinge. Sie sind zum größten Teil auf sich allein gestellt, viele schlafen im Freien und haben - bis auf die Angebote von Ärzte der Welt - keinen Zugang zu medizinischer Versorgung. Um diese Menschen muss man sich dringend besser kümmern", appelliert Heinz-Jochen Zenker.
Hilfe für Tilos
Ärzte der Welt wird die Hilfsaktivitäten auf den griechischen Inseln weiter ausbauen. Auf Tilos sollen sich demnächst ein Arzt und eine Krankenschwester um die Betreuung der Flüchtlinge kümmern. Eine dringend benötigte Maßnahme, denn auf der Insel gibt es bisher keine medizinischen Einrichtungen.
Anlässlich des UN-Weltflüchtlingstages macht Ärzte der Welt auf die zum Teil dramatische Situation der Flüchtlinge in Griechenland aufmerksam und fordert die zuständigen Behörden auf, die medizinische Versorgung zu verbessern - insbesondere von Schwangeren, Müttern mit Kleinkindern, unbegleiteten Kindern und Jugendlichen sowie von traumatisierten Flüchtlingen.
Interviewanfragen:
Prof. Dr. Heinz-Jochen Zenker, Präsident von Ärzte der Welt
Deutschland, steht für Interviews zur Verfügung.
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Aktualisierung am 19.06.2015 um 12.45 Uhr
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