Kampf gegen Wucherpreise: Europäisches Patentamt entscheidet im Streit über Hepatitis-C-Medikament
München (ots)
Wenn sie erfolgreich ist, könnte sie Hunderttausenden an Hepatitis-C Erkrankten in Europa den Weg zu einer deutlich preiswerteren Behandlung ebnen: Eine Patentanfechtung, die am 13. und 14. September am Europäischen Patentamt (EPA) verhandelt wird. Organisationen aus 17 Ländern hatten sie eingereicht.
Bei der Anhörung geht es um den Wirkstoff Sofosbuvir, für den der Pharmariese Gilead wegen seines Monopols auf das derzeit wirksamste Medikament zur Behandlung von Hepatitis C exorbitante Preise verlangen kann. Ärzte der Welt, Ärzte ohne Grenzen und Just Treatment gehören zu den Organisationen, die mit der Anfechtung den Weg für die Herstellung und den Import erschwinglicher Generika frei machen wollen, um die europäischen Gesundheitssysteme von der unrechtmäßigen, massiven finanziellen Belastung zu befreien. Ihre Begründung: Die Anforderungen an eine patentierbare Erfindung sind aus juristischer und wissenschaftlicher Sicht nicht erfüllt.
Die Behandlung auf der Grundlage von Sofosbuvir hat eine Heilungsrate von über 90 Prozent, im Vergleich zu den rund 50 Prozent der älteren Methoden. Wegen der enormen Preise von bis zu 43.000 Euro für die zwölfwöchige Behandlung sind Regierungen und Anbieter in vielen Ländern gezwungen, den Zugang zu dem Medikament zu beschränken und nur für Menschen mit fortgeschrittenen Formen von Hepatitis C zu gewähren. Dabei ist die gleiche Behandlung dort, wo der Wirkstoff nicht patentiert ist, bereits für unter 100 Dollar zu haben.
"Ich habe drei quälende Jahre warten müssen, bis ich endlich das Hepatitis-C-Medikament Sofosbuvir erhalten habe", sagt Clare Groves, die im Rahmen des staatlichen Gesundheitssystems Großbritanniens (NHS) behandelt und geheilt wurde. "Mein Arzt hat mir mehrmals gesagt, dass ich zwar krank bin, aber nicht krank genug, um die Voraussetzungen für die Behandlung im Rahmen der NHS zu erfüllen. Ich möchte nicht, dass anderen Menschen Sofosbuvir verweigert wird, weil der Preis so exorbitant hoch ist, deshalb werde ich weiter dafür kämpfen, dass sie Zugang zu diesem Medikament bekommen."
"Finanzielle Barrieren beim Zugang zu Medikamenten und generell zu Gesundheitsversorgung sind zu einer Herausforderung für einkommensstarke Länder in Europa geworden. Weil unverdient erteilte Patente der Hauptgrund für die überhöhten Preise sind, ist es an der Zeit, solche Patente in Europa anzufechten", sagt Olivier Maguet von der Ärzte der Welt-Medikamentenkampagne.
Patente auf Sofosbuvir wurden bereits in Ägypten, China und der Ukraine zurückgewiesen. In anderen Ländern wie Argentinien, Brasilien, Indien, Russland und Thailand stehen Entscheidungen an.
"Dass zivilgesellschaftliche Organisationen mit solchen Aktionen auch bei uns etwas verändern können, zeigt der Erfolg, den Ärzte der Welt im Oktober 2016 erzielt hat. Damals hat die EPA-Kommission unserer Anfechtung eines anderen Gilead-Patents teilweise stattgegeben und damit den Patenschutz von Sofosbuvir geschwächt", sagt François De Keersmaeker, Direktor der deutschen Sektion von Ärzte der Welt.
"In Ländern wie Kambodscha und Indien konnten Ärzte ohne Grenzen erst dann mehr Hepatitis-C-Patienten behandeln, als mehr erschwingliche, qualitätssichere Generika verfügbar waren", sagt Gaelle Krikorian von der Hilfsorganisation. "Es ist höchste Zeit, dass das Europäische Patentamt ebenso wie Patentämter auf der ganzen Welt Monopole für Arzneimittel genauer prüfen und deren negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen bei der Vergabe von Patenten berücksichtigen. Die Aufhebung des Patents von Gilead in Europa würde ein starkes Signal an andere Länder senden, ungerechtfertigte Patente anzufechten, wenn die Gesundheit und das Überleben von Menschen auf dem Spiel stehen."
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass 15 Millionen Menschen im europäischen Raum - etwa einer von 50 - chronisch mit Hepatitis C infiziert sind. Dies hat rund 112.500 Todesfälle pro Jahr durch Leberkrebs und -zirrhose zur Folge.
Am 13. September um 8.30 Uhr wird parallel zum Auftakt der Anhörung eine Protestaktion vor dem Europäischen Patentamt in München stattfinden.
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