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Stuttgarter Nachrichten: Präsident des Bundesverfassungsgerichts: Länderfinanzausgleich reformieren -Papier: "Neugliederung der Länder nicht auf Dauer verdrängen"

Stuttgart (ots)

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts,
Hans-Jürgen Papier, appelliert an die Politik, "sich der noch gar 
nicht ernsthaft diskutierten, aber unverzichtbaren Reform der 
Finanzverfassung" zu stellen. Es seien ganz erhebliche 
Interessengegensätze zwischen Bund und Ländern, aber auch unter den 
Ländern zu erwarten, sagte er im Interview mit den Stuttgarter 
Nachrichten (Freitag). Da diese Gegensätze zwischen finanzstarken und
finanzschwachen Ländern mit Parteipolitik nur selten etwas zu tun 
hätten, "darf man die Möglichkeiten speziell der großen Koalition 
auch nicht überschätzen".
Papier plädierte darüber hinaus dafür, die Reduzierung der Zahl 
von Bundesländern in Angriff zu nehmen. "Der Zusammenschluss von 
Ländern bietet die Chance, eine vitale bundesstaatliche Ordnung zu 
erhalten." Zu einer echten Eigenstaatlichkeit der Länder gehörten 
jedoch ein gewisses Maß an Finanzautonomie und substanzielle 
Gesetzgebungszuständigkeiten. "Und das wiederum bedingt, dass die 
Bundesländer - und zwar alle Bundesländer - wirklich in der Lage 
sind, diese Aufgaben auch zu bewältigen", betonte Papier: "Deshalb 
lässt sich die Frage nach einer Länderneugliederung, ob sich nicht 
einzelne Bundesländer zusammenschließen, nicht auf Dauer verdrängen."
Papier unterstützt den Vorschlag der Oppositionsparteien im 
Bundestag, das Quorum für einen vom Parlament gestellten 
Normenkontrollantrag von derzeit einem Drittel der Mandate auf ein 
Viertel zu senken. Das sei im Hinblick auf eine Stärkung der Rechte 
der Opposition durchaus erwägenswert - dies sei jedoch seine 
persönliche Meinung: "Als Verfassungsrichter möchte ich dem 
Gesetzgeber in dieser Frage keine Ratschläge erteilen."
Mit Blick auf die Angst vieler Deutscher vor der Reform des 
Sozialstaats und deren eigenem sozialen Abstieg sagte Papier: "Der 
Sozialstaat kann fortentwickelt, geändert, angepasst und 
grundsätzlich auch wieder zurückgebaut werden, weil er nicht die 
Verwirklichung eines in der Verfassung vorgeschriebenen Modells, 
sondern das Resultat politischer Gestaltung ist." Grundrechte wie der
Schutz des Eigentums, wozu auch die Rentenansprüche und die 
Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung 
grundsätzlich gehören, oder die rechtsstaatlichen Prinzipien wie 
Vertrauensschutz und Rückwirkungsverbot seien selbstverständlich zu 
beachten. Unmissverständlich stellte der Präsident auch klar, dass 
das Grundgesetz keinen verfassungsrechtlichen Auftrag zur Herstellung
einheitlicher Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet kenne.

Rückfragen bitte an:

Stuttgarter Nachrichten
Redaktion
Joachim Volk
Telefon: 07 11 / 72 05 - 7120
cvd@stn.zgs.de

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