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taz-Kommentar von Daniél Kretschmar zur Situation von Flüchtlingen in Rostock
Die Kinder von Lichtenhagen

Berlin (ots)

Es sind 24 Jahre vergangen, seit ein rassistischer Mob vor dem Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen das Plattenbauviertel im Nordwesten der Hansestadt bekannt machte. Mit einem tagelangen Pogrom, der zum Symbol für das hässliche Deutschland wurde. 24 Jahre, in denen die Randalierer von damals erwachsen und vielleicht ruhiger geworden sind. 24 Jahre, in denen die Stadt versucht hat, den Ruf einer No-go-Area abzuschütteln. 24 Jahre, in denen es offenbar nicht gelungen ist, die örtliche Zivilgesellschaft so weit zu stärken, dass Menschen nichtdeutscher Herkunft sich dort sicher fühlen können. Der Rostocker Sozialsenator hat die weitere Unterbringung von Flüchtlingsfamilien im Stadtteil Groß Klein untersagt, nachdem er bereits eine Unterkunft für junge Asylbewerber geräumt hatte. Das Beruhigungsmantra von der weltoffenen Universitätsstadt ist damit Geschichte.​

Nur den sprichwörtlichen Steinwurf vom Sonnenblumenhaus entfernt, im Plattenbaugürtel zwischen Innenstadt und dem Tourismuszentrum Warnemünde, sehen sich die Behörden noch immer nicht in der Lage, Menschen vor rechtsradikalen Übergriffen zu schützen. Selbst die Landesregierung soll Druck ausgeübt haben, um die Unterbringung der Flüchtlinge zu verhindern. Man sorgt sich, dass es mitten im Landtagswahlkampf zu rassistischen Ausschreitungen kommen könne.​

Hand in Hand gehen der Sozialsenator der Linkspartei und die rot-schwarze Koalition in Schwerin in dem Versuch, den Schein zu wahren: Kultur und Kneipenmeile im Stadtzentrum, Strand und Hansesail in Warnemünde. Die Platte an der Peripherie aber bleibt das "Ghetto", das es schon Anfang der 1990er war.​

Es ist das Dilemma vieler ostdeutscher Städte. Objektiv sind bestimmte Orte dominiert von stumpfer Feindseligkeit gegenüber allem "Fremden" und immer wieder offenem und gewalttätigem Neofaschismus. Teil dieses Problems ist das mehr als 25 Jahre währende Zurückweichen der Zivilgesellschaft und staatlicher Instanzen.​

Die Kinder Lichtenhagens, die Schläger und Rassisten, können sich nach der Entscheidung von Rostock feiern. Sie werden ihren Glauben, dass Gewalt eben doch eine Lösung sein kann, mit dem Segen der Stadt und des Landes nun auch an die nächste Generation weitergeben können.​

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