All Stories
Follow
Subscribe to taz - die tageszeitung

taz - die tageszeitung

taz-Kommentar zur Entwaffnung der ETA

Berlin (ots)

taz-Kommentar von Reiner Wandler zur Entwaffnung der ETA

Ohne Weitblick und Großzügigkeit

Die ETA hat die Waffen abgegeben. Über fünf Jahre nach dem einseitig verkündeten Waffenstillstand ist der Verzicht auf Gewalt durch die baskische Separatistenbewegung damit endgültig besiegelt. Im Baskenland zieht nach und nach Normalität ein.

In den Dörfern und Stadtteilen, in denen die Menschen einst mit Angst und Hass lebten, ist die Aussöhnung von unten längst im Gange. Dazu braucht es Mut und Großzügigkeit von beiden Seiten. Viele Menschen im Baskenland beweisen dies Tag für Tag.

Nur einer der Akteure ignoriert die Entwicklung geflissentlich: Die spanische Regierung des konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy. Diese hatte das Ende der Gewalt geerbt. Die ETA verkündete noch unter Rajoys Vorgänger, dem Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero, das Ende des bewaffneten Kampfes.

Rajoys Partido Popular (PP) demonstrierte zusammen mit den ihr treu ergebenen Teil der Opfervereinigungen mehrfach gegen Zapatero. Er würde die Demokratie und Einheit Spaniens verraten, hieß der schwerwiegende Vorwurf. Einmal an der Regierung tat die PP nichts, um die Lage zu entspannen, auf die ETA zuzugehen und die Übergabe der Waffen zu erleichtern.

Auch jetzt will die Regierung von Zugeständnissen nichts wissen. Das wiegt schwer. Denn nach dem Ende der Gewalt ist es weniger akzeptabel denn je, dass hunderten ETA-Gefangenen die elementarsten Rechte vorenthalten werden. So dürfen sie ihre Haft nicht - wie alle anderen Häftlinge - heimatnah verbringen. Die Zerstreuung über ganz Spanien wurde einst als Druckmittel gegen die Separatisten eingeführt.

Es ist die Stunde der Politik. Zumindest wenn man Madrid Glauben schenken will. Die großen Parteien warfen den baskischen Separatisten immer wieder vor, politische Ziele nicht mit politischen Mitteln zu verfolgen. Doch gleichzeitig verbieten die Konservativen mit Unterstützung durch die Sozialisten den Katalanen, die anders als die Basken immer friedfertig für ihre Unabhängigkeit eintraten, das Recht auf eine Volksabstimmung. Politiker, die die Bevölkerung befragten, landen vor Gericht. Ihnen werden die Bürgerrechte aberkannt.

ETA ist Geschichte. Das Streben nach Unabhängigkeit der Basken ist es nicht. Ganz im Gegenteil, der Gewaltverzicht gibt der Unabhängigkeitsbewegung mehr Legitimität. Bald schon wird die Mehrheit der Basken, wie heute schon die Katalanen, eine Volksabstimmung einfordern.

Rajoy fehlt es nicht nur an Großzügigkeit sondern - und das wiegt viel schwerer - auch an politischem Weitblick.

Pressekontakt:

taz - die tageszeitung
taz Redaktion
Telefon: 030 259 02-255, -251, -250

Original content of: taz - die tageszeitung, transmitted by news aktuell

More stories: taz - die tageszeitung
More stories: taz - die tageszeitung
  • 23.03.2017 – 16:20

    taz-Kommentar zur Bahnbilanz

    Berlin (ots) - taz-Kommentar von Richard Rother zur Bahnbilanz Bahnchef investiert in Zukunft Richard Lutz, oberster Lokomotivführer der Republik, will angreifen: mehr Investitionen, mehr Kunden, mehr Umsatz, mehr Gewinn. Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt zeigte der neue Bahnchef, dass er dort weitermachen will, wo sein Vorgänger Rüdiger Grube aufhörte. Das mag vielen Kritikern zu wenig visionär sein; überraschend ist es aber nicht. Schließlich ist die Bahn ein ...

  • 13.03.2017 – 16:41

    Schottische Farce/ taz-Kommentar von Dominic Johnson zum angestrebten Referendum

    Berlin (ots) - Nicola Sturgeon ist keine Anfängerin. Die schottische Premierministerin weiß natürlich ganz genau, dass es Unsinn ist, ein Referendum über den Austritt Schottlands aus Großbritannien mitten in die laufenden Austrittsverhandlungen Großbritanniens aus der EU zu platzieren. Das schottische Wahlvolk müsste seine Entscheidung völlig blind treffen - ...