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taz-Kommentar von Barbara Dribbusch zu Corona und Weihnachten

Berlin (ots)

Schuld sind nicht immer nur die anderen

Wer wissen will, wie leicht Vorurteile geweckt werden, der muss sich nur mal die Suche nach Schuldigen, nach Mitverantwortlichen, nach Infektions­treiberInnen in der Coronapandemie anschauen. Die Suche nach WeiterträgerInnen des Virus ist populär, denn damit verbunden ist die Hoffnung, wenn man erst einmal die Infektionswege gefunden habe, diese schließen und damit die Pandemie eindämmen zu können.

Als InfektionstreiberInnen galten Après-Ski-Treffen deutscher Wintertouristen (Ischgl), viel fliegende Kosmopoliten, türkische Großhochzeiten (Berlin), osteuropäische Arbeiter in Schlachthöfen (Rheda-Wiedenbrück), vom Heimaturlaub in Südosteuropa nach Deutschland zurückkehrende Großfamilien, Kneipenbesucher in Bayern, AfD-wählende Coronaleugner in Sachsen und neuerdings glühweintrinkende Zu-dicht-Herumsteher in den Metropolen. An all diesen Korrelationen ist etwas dran, teilweise auch statistisch belegt. Aber sie gaukeln eine Orientierung vor, die es so nicht gibt.

Es ist einfach, an bestimmten Gruppen die negativen Vorurteile festzumachen und damit einen scheinbaren Abstand herzustellen zum Infektionsgeschehen: Schuld sind die anderen! Sind sie aber nicht. Wir sind die Gefahr.

Spätestens dann, zu Weihnachten, wird sich das zeigen. Der Beschluss von Bund und Ländern, der in den meisten Bundesländern gelten wird, erlaubt zu Weihnachten private Besuche von Verwandten und FreundInnen bis zu einer Zahl von 10 Personen. Plus der Kinder im Alter von bis zu 14 Jahren. Es wären also 10 Erwachsene aus 10 Haushalten mit ihren Kindern erlaubt, schön zusammen am Esstisch. Eine echte Coronaparty mit Gänsebraten wäre das mit dem Segen der Bundesregierung. Die Chancen, dass unter den Gästen ein Superspreader ist, der alle anderen anstecken kann, sind unter 10 Menschen bekanntlich höher als unter 5 Leuten.

Weihnachten zeigt, dass dem Infektionsschutz immer auch etwas Irrationales innewohnt - und dass am Ende jeder sein eigenes Gesundheitsmanagement entwickeln muss und sich nicht nur an behördliche Bestimmungen klammern sollte.

Mit vorgeschalteter Quarantäne, vielleicht auch Schnelltests aus dem Internet und einer strikteren Begrenzung der Privathaushalte, die sich vor dem Weihnachtsbaum treffen, kann jeder seinen eigenen Infektionsschutz betreiben. Corona ist solchermaßen auch eine Übung in Selbstverantwortung, in Selbststeuerung. Gut so. Denn bei einem Mensch-zu-Mensch-Infektionsgeschehen ergibt es keinen Sinn, die Verhaltenssteuerung ganz allein an die Politik abzugeben.

Pressekontakt:

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Wolfgang Gast
Telefon: +49 30 25902 255
meinung@taz.de

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