Gemeinsame Erklärung der Ethikräte Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens zur Ethik von Eingriffen in die menschliche Keimbahn
Berlin (ots)
In der heute veröffentlichten Erklärung rufen die drei Räte Regierungen und Interessenvertreter in der ganzen Welt dazu auf, bei jeglicher künftigen Diskussion von Keimbahneingriffen und bei der Entwicklung globaler Regulierungsansätze ethische Überlegungen in den Mittelpunkt zu stellen.
Die aktuell verfügbaren Methoden gelten als noch nicht sicher genug für eine klinische Anwendung, doch die drei Räte wollen sicherstellen, dass wichtige ethische Fragen und Prinzipen genügend Aufmerksamkeit erhalten, bevor eine technische Anwendungsreife erreicht wird. Nur so können der globale Dialog und die Regulierung von Keimbahneingriffen auf einer soliden ethischen Grundlage erfolgen.
In einem heute von Nature veröffentlichten Brief heben die Vorsitzenden der drei Räte, welche jeweils eigenen Stellungnahmen zum Thema Genome-Editing veröffentlicht haben, die folgenden Kernpunkte aus der gemeinsamen Erklärung hervor:
"Wir rufen Regierungen und Interessenvertreter auf der ganzen Welt dazu auf, die folgenden Schritte zu unternehmen:
- Alle Staaten sollten erbliche Veränderungen des menschlichen Genoms eindeutig der Kontrolle der zuständigen öffentlichen Behörden unterstellen und ihren Missbrauch mit angemessenen Sanktionen belegen.
- Es sollten keine klinischen Versuche zum Einsatz von Keimbahneingriffen durchgeführt werden, bevor nicht eine breite gesellschaftliche Debatte über die Vertretbarkeit der betreffenden Interventionen stattgefunden hat.
- Es sollten keine weiteren klinischen Versuche zum Einsatz von Keimbahneingriffen durchgeführt werden, solange die Forschung die beträchtliche Unsicherheit zu den Risiken klinischer Anwendungen noch nicht auf ein akzeptables Niveau reduziert hat.
- Bevor klinische Studien zu oder Anwendungen von Keimbahneingriffen zugelassen werden, müssen die Risiken nachteiliger Auswirkungen für Einzelpersonen, Gruppen und die Gesellschaft als Ganzes angemessen bewertet worden sein, und es müssen Maßnahmen zur Überwachung und Überprüfung dieser Risiken vorhanden sein.
Wir alle halten es für wesentlich, dass eine ethisch zulässige Anwendung von Keimbahneingriffen beim Menschen nicht zu verstärkten Benachteiligungen, Diskriminierungen oder Spaltungen in der Gesellschaft führen darf.
Die große Bandbreite der denkbaren Anwendungen und die damit verbundenen Auswirkungen auf Familien, die Gesellschaft und künftige Generationen erfordern eine angemessen vorsichtige, verantwortliche und transparente Governance.
Wir empfehlen allen, die an Debatten zu Keimbahneingriffen teilnehmen, und den jeweiligen Entscheidungsträgern, die Beispiele zu ethischen Abwägungen in unseren individuellen Stellungnahmen in ihre Überlegungen mit einbeziehen."
Notizen für Redaktionen
1. Die gemeinsame Erklärung ist hier abrufbar:
Deutschland - http://ots.de/Qk1a7S
Frankreich - https://www.ccne-ethique.fr/en/actualites/opinion-133-gene-editing-and-joint-statement)
Großbritannien - http://ots.de/Fj15lo
2. Die Korrespondenz in Nature ist unter folgendem Link abrufbar: https://www.nature.com/articles/d41586-020-00614-3
3. Die vollständigen Publikationen der drei Räte sind hier abrufbar: Deutscher Ethikrat (2019) Eingriffe in die menschliche Keimbahn ( http://ots.de/pkSWXs) CCNE (2020) Opinion 133 on Ethical Challenges of Gene Editing: Between Hope and Caution ( http://ots.de/peko8H) Nuffield Council on Bioethics (2018) Genome Editing and Human Reproduction: social and ethical issues ( https://www.nuffieldbioethics.org/publications/genome-editing-and-human-reproduction)
4. In Frankreich, Deutschland und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland sind erbliche Veränderungen des menschlichen Genoms gesetzlich verboten. In anderen Rechtsordnungen sind die Regeln hingegen mitunter unklar, werden nicht durchgesetzt oder fehlen gänzlich. Obwohl die Handlungen eines chinesischen Forschers, dessen Arbeit 2018 zur Geburt von genetisch veränderten Zwillingen führte, breit verurteilt wurden, haben andere Forscher bereits Pläne angekündigt, weitere Keimbahneingriffe zu versuchen.
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