Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit
"Die Kommission hat Angst vor dem Wettbewerb"
Zu den Vorschlägen der Föderalismuskommission erklärt der Vorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung, Dr. Otto Graf Lambsdorff:
Potsdam (ots)
Der deutsche Bundesstaat wird auch in den nächsten Jahren nicht so handlungsfähig werden, wie das für Arbeitsplätze, exzellente Bildung und Forschung, für ein starkes Deutschland in Europa und im globalen Wettbewerb, notwendig ist. Da reicht es nicht, wenn es am Ende immerhin gelingt, die Gesetzesmaterien, denen der Bundesrat zustimmen muss, von heute 53% auf 40% zurechtzustutzen. Es fehlen die wichtigsten Gesetzesmaterien. Klare Verantwortung bei den Steuern ist nicht erreicht worden, nicht einmal ernsthaft gewagt: Die Kommission hat Angst vor dem Wettbewerb.
Im deutschen Bundesstaat wird auch die Demokratie in den nächsten Jahren nicht bürgernäher: Kaum Vorrang des Privaten, die Gestaltungsspielräume der Gemeinden bleiben viel zu gering, den Landtagen werden zuwenig Kompetenzen bei den Staatsaufgaben übertragen, bei den Steuern praktisch keine Gesetzgebungsrechte. Wie sollen dann die Bürger bewerten können, wer für gute oder schlechte Politik Verantwortung trägt? Die Verantwortung bleibt selbst dort unklar, wo die Landtage bei den Aufgaben mehr zu entscheiden haben. Wer die Ausgaben für die bestellten Aufgaben aber bezahlt, bleibt weiter im Nebel organisierter Verantwortungslosigkeit. Und weil alles viel zu weit entfernt 'oben' in Berlin oder faktisch in Brüssel entschieden wird, muss der Bürger sehr weit durch dicken Nebel sehen. Jeder weiß: Das geht nicht. Und warum mutet man das dem ohnehin verdrossenen Bürger weiter zu? Hinzu kommt zur Angst vor Wettbewerb: kein Vertrauen, dass die Bürger vieles besser zu ihrer eigenen Sache machen könnten, mangelnder Mut, politische Entscheidungen so dicht wie möglich an den Bürger heranzubringen.
Das steht schon heute fest, was immer in der letzten Sitzung der Föderalismuskommission von Bundestag und Bundesrat, der sog. Bundesstaatskommission, am 17. Dezember noch beraten und danach als Vorschlag von den Vorsitzenden Müntefering und Stoiber als Vorschlag verkündet wird: Die Bundesstaatskommission ist dafür nicht zu schelten. Da wurde mit ausgezeichneten Sachverständigen gute Arbeit geleistet - unter gegebenen, aber nicht notwendigen Arbeitsbedingungen: Wenn erst alles von aktiven Politikern vor Landtagswahlen und Bundestagswahl nach Chancen auf Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat durchforstet werden soll, dann kann man nicht die Vorschläge erwarten, zu denen ein Konvent den Mut hätte, gestellt von Bürgern, die nicht in aktiver Verantwortung als Politiker stehen, die Langfristdenken und Denken in Ordnungen viel leichter gegen politische Kalküle bis zum Tellerrand der nächsten Wahl setzen können.
Die Vorschläge der Bundesstaatskommission sind keine echten Reformen des deutschen Föderalismus. Sie reichen nicht für einen handlungsfähigen und bürgernahen Bundesstaat, für die Reformen, die Arbeitsplätze bringen, die Deutschland wieder nach vorn bringen beim Wachstum und beim Wohlstand für alle. Wer sich erhofft, die kommende Bundesregierung stellen zu dürfen, muss schon heute die 'Mutter aller Glocken' läuten hören, damit es ab 2006 etwas werde mit der 'Mutter aller Reformen': mit neuem Mut, mit neuem Schwung - und neuer Besetzung, möglichst in einem Föderalismus-Konvent, der nicht vergisst, dass Europa föderalismustauglich werden muss - nicht nur Deutschland 'europatauglich'.
Zu aktuellen Forderungen, konkrete Solidarpaktforderungen in das Grundgesetz aufzunehmen, nur so viel: Mehr als die im Bundesstaat gebotene Solidarität gehört dazu nicht in eine Verfassung, und das ist geltendes Verfassungsrecht in Deutschland. Wenn also Unklarheiten darüber bestehen, was in eine Verfassung gehört und was Sache der Parlamente ist, dann wäre das schlimmer als alle PISA-Ergebnisse.
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