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"Ich wäre fast ersoffen" Schauspieler Ulrich Tukur in einem exklusiven Tele 5-Interview über ...

München (ots)

... die Dreharbeiten zum Kinofilm 'Ein fliehendes
Pferd' (Start: 20.9., Concorde Filmverleih), seine Schwierigkeiten 
mit dem Älterwerden, dem Leben in Italien - und wie er seine Ehe 
gerettet hat
Tele 5: Ein Thema des Films ist das Alter. Sie sind in diesem Jahr
50 geworden. Denken Sie über das Älterwerden nach?
Ulrich Tukur: Na klar. Ich finde es betrüblich, dass die Jahre so 
schnell dahineilen. Ich habe das Gefühl, dass man noch so viel machen
könnte, aber die Zeit läuft einem davon. Man hat mit 50 natürlich 
sehr viel Lebenserfahrung und man hätte die Möglichkeit, jetzt klüger
und etwas weiser so richtig loszulegen. Aber irgendwann ist das 
erledigt, denn: Wir werden leider nicht so alt wie Schildkröten und 
Papageien. Das ist von der Natur schlecht geregelt.
50 ist aber auch, Entschuldigung, ein geiles Alter.
Stimmt. Das hat was mit Lebensenergie zu tun. Jeder Mensch hat 
eine gewisse Quantität an Energie. Die erschöpft sich bei dem einen 
sehr früh, andere laufen noch mit 88 Jahren rum und haben etwas 
Jungenhaftes. Das ist individuell verschieden.
Und Sie?
Ich habe sehr viel Lebensenergie, ich liebe das Leben. Deswegen 
beschäftigt mich der Tod. Mit meinem Buch (Die Seerose im Speisesaal)
habe ich versucht, mir die Angst vom Leibe zu schreiben.
Ihr Kollege und Freund Ulrich Wildgruber hat sich umgebracht, als 
seine Kräfte nachließen.
Man ist so an Dynamik gewöhnt, dass du auch noch 100 Prozent geben
willst, obwohl man älter wird oder krank. Das beängstigt mich auch 
etwas: Ob ich in der Lage bin, mein Leben zu verändern, 
zurückzuschrauben, im dritten Gang zu fahren? Es wird auf jeden Fall 
sehr, sehr schwer.
Wie kann man dem vorbeugen?
Der Mensch muss Dinge langsam ausbremsen, ganz vorsichtig. Ein 
Beispiel: Man sollte auch mit 80 Jahren noch Wein trinken dürfen. 
Wenn man sein ganzes Leben lang säuft, dass man als Konsequenz mit 75
keinen Tropfen mehr trinken darf, ist etwas falsch gelaufen.
Auch in der Rolle als Klaus Buch drehen Sie mächtig auf. Und zwar 
so, dass man diesem Typen nach zwei Minuten in den Hintern treten 
möchte.
Danke für das Kompliment. Ja, ich hab' versucht, ihn als richtige 
Nervensäge darzustellen. Als einen, der keine Distanz kennt, der 
einem ständig auf der Pelle hockt, der alles besser weiß. Ein eitler,
aufgeblasener Geck auf zwei Beinen.
Hat Ihnen Regisseur Rainer Kaufmann alle Freiheiten gegeben?
Rainer arbeitet sehr flexibel. Er war nicht fundamentalistisch und
pedantisch. Er arbeitet mit sehr viel Höflichkeit, mit sehr viel Witz
- es war eine wahnsinnig angenehme Arbeit. Bis auf die Szene im Sturm
...
Was ist passiert?
Da wäre ich fast ersoffen. Die Wasserszene, mit Ulrich Noethen und
mir, wurde in einem riesigen Außenpool auf Malta gedreht. 
Wasserkanonen und Flugzeugventilatoren entfachten einen unglaublichen
Sturm. Ich musste drehbuchgemäß über Bord fallen und war dann dort in
diesem aufgepeitschten Pool und hatte keine Bodenberührung. Ich 
musste ständig Wasser schlucken, schrie 'aufhören, aufhören' - doch 
niemand sah und hörte mich. Aber irgendwie bekam ich dann doch das 
Boot zu fassen. Dieser Drehtag war extrem hart.
Und die anderen? Wie haben Sie sich mit Ihren Kolleginnen und 
Ihrem Kollegen verstanden?
Hervorragend. Petra Schmidt-Schaller ist eine entzückende, junge 
Frau, die alles glänzend und mit einer großen Bescheidenheit 
gemeistert hat. Diesen Donnerhall, der Katja Riemann vorauseilt, habe
ich in keinster Weise gemerkt, sie war sehr charmant. Und dass Uli 
Noethen, der ja ein etwas finsteres Gemüt hat, die Rolle toll 
meistert, war mir klar. Er ist einfach ein großartiger Schauspieler.
Zurück zum Wasser - Sie leben in Venedig. Warum?
Das hat was mit einer fast gescheiterten Liebesbeziehung zu meiner
Frau Katharina zu tun. Sie habe ich durch mein Verhalten - was doch 
recht typisch ist für Männer zwischen 30 und 40, behaupte ich jetzt 
mal - vergrätzt. Sie hat sich dann mit einem 'Du kannst mich mal' 
nach Teneriffa abgesetzt. Kaum war die Dame weg, habe ich eingesehen,
welch ein Idiot ich gewesen bin. Und bin dann zu Kreuze gekrochen und
habe mich entschuldigt.
Ist Ihnen das schwer gefallen?
In dem Augenblick nicht so. Ich wusste ja, was ich wollte. Aber 
leicht war es sicher nicht. Ich fragte also: "Können wir es noch mal 
versuchen?". Sie sagte: 'Von mir aus, aber bitte nicht mehr in 
Deutschland.'
Dann ging's nach Venedig.
Nein. Ich wollte nach Frankreich, weil ich gut französisch spreche
und die französische Kultur sehr mag. Dann sagte Katharina den 
wunderbaren Satz: 'Nein, die Franzosen sind wie Deutsche, die 
Italiener spielen.' Sie wollte also nach Italien. Über den Umweg über
Genua sind wir dann in Venedig gelandet und haben uns vor acht Jahren
eine Wohnung gekauft. Ein Nachbar von uns ist Elton John.
Kommen Sie dort gut zurecht?
Jetzt ist alles wunderbar, das erste Jahr war brutal, weil ich 
kein Wort Italienisch sprach und die dortige Gesellschaft anders 
funktioniert als die deutsche.
Nämlich?
Man muss Freunde haben, man muss sich eine menschliche 
Infrastruktur aufbauen. Wenn man diese Freunde hat, kommt man immer 
durch. Fast alles läuft über Beziehungen. Es ist eine Art 
Vetternwirtschaft, aber es funktioniert.
Sie müssen also auch im Privatleben hin und wieder schauspielern?
In Italien ist das Leben ein einziges Schauspiel. Man steht 
ständig auf der Bühne.
Und das kommt Ihnen entgegen?
Es ist mir zur zweiten Natur geworden. Mir macht Verstellen Spaß. 
Ich finde das normal. Leben ist Spielen.
Interview: Jochem Becker
Tele 5. Der Spielfilmsender

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