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"Als Europäer ist man entweder der Schurke oder man muss sich ausziehen." Julia Ormond im exklusiven Tele 5-Interview über...

"Als Europäer ist man entweder der Schurke oder man muss sich ausziehen."

Julia Ormond im exklusiven Tele 5-Interview über...
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München (ots)

...ihren neuen Film 'Unter Kontrolle', böse Polizisten, den Dreh 
mit David Fincher und den Satz "Ich liebe dich".
Tele 5 zeigt am Montag, 11. August um 20.15 Uhr den Zweiteiler 
'Die junge Katharina' mit Julia Ormond
Tele 5: Julia Ormond, zu Deutschland haben Sie ja engere 
Beziehungen.
Julia Ormond: Ja, mein bisher berühmtester Film, 'Fräulein Smillas
Gespür für Schnee', war eine deutsche Produktion. Und auch mit Katja 
von Garnier habe ich einen Film gemacht.
Bekannt wurden Sie zuerst mit 'Die junge Katharina', können Sie 
sich noch erinnern?
Natürlich. Für mich war das eine wichtige Rolle. Die erste größere
Hauptrolle. Das hat Spaß gemacht, und meine Begeisterung für Russland
hat mich seitdem nicht mehr losgelassen. Zehn Jahre später habe ich 
dann in einem russischen Film mitgespielt, 'Der Barbier von 
Sibirien'.
Was ist das Geheimnis der Schauspielkunst? Was unterscheidet gute 
von hervorragenden Darstellern?
Das Seltsame an der Erfahrung als Kinozuschauer ist für mich: Bei 
einem wirklich guten Schauspieler hat man das Gefühl, dass man mit 
dieser Person im gleichen Raum ist. Es ist intim. Zugleich ist jeder 
anders, und jede Szene anders. Routine ist die größte Gefahr. Wir 
haben solche Übungen an der Schauspielschule gemacht: Nimm den Satz: 
"Ich liebe Dich". Den kann man auf 100 verschiedene Weisen 
aussprechen. Und jedes Mal, wenn man einen Dialogsatz ausspricht, 
klingt er anders. Es wäre einmal ein interessantes Experiment: Nehmen
Sie das exakt gleiche Drehbuch, und lassen Sie es durch fünf 
verschiedene Regisseure verfilmen. Sie erhalten am Ende fünf ganz 
verschiedene Filme.
In letzter Zeit hat man Sie wenig auf der Leinwand gesehen. Warum?
Mir ging es plötzlich so, dass ich in einer Schublade gelandet 
war. Ich hatte das zuerst gar nicht so gemerkt. Aber es fiel mir auf,
als Journalisten in Interviews plötzlich fragten: "So hier sind Sie 
ja schon wieder eine Frau zwischen zwei Männern." Und ich dachte: 
Moment, das eine war ein Cowboyfilm, das nächste eine Romantic 
Comedy, dies ist ein Kinderfilm... Und dann fängt man an, neue 
Drehbücher daraufhin zu überprüfen, und lehnt bestimmte Rollen ab.
Und manche Filme haben sich schlechter entwickelt als erwartet: Nach 
'Der erste Ritter' haben sie leider nie 'Den zweiten Ritter' gedreht 
[lacht]. Natürlich würde ich sehr gern mal wieder einen großen 
Hollywoodfilm drehen. Immerhin habe ich zuletzt einiges gemacht: Die 
letzten zwei Jahre hatte ich mit 'Inland Empire' von David Lynch zu 
tun. Die Familie Lynch ist schon sehr besonders. Da ich mit beiden 
gearbeitet habe, kann ich das so sagen: Beide, David und Jennifer 
Lynch haben sehr persönliche Künstlerstimmen. Und sie pflegen sie. 
Sie sind ehrlich und konsequent. Und sie haben die Fähigkeit, ihre 
Idee auch unverfälscht rauszulassen, schamlos sozusagen, ohne 
Selbstzensur. Ich finde das außerordentlich. Jennifer hat ein sehr 
kraftvolles, sehr realistisches, sehr rohes Drehbuch geschrieben. 
'Unter Kontrolle' ist sehr Jennifer!
In 'Unter Kontrolle' (Kinostart 31.07.) von Jennifer Lynch spielen
Sie die Hauptrolle. Produziert hat den Film ihr Vater David Lynch. 
Wie kamen Sie zu diesem Projekt?
Ich habe ja wie gesagt zuerst bei David Lynch in 'Inland Empire' 
gespielt. Und über meinen Manager bekam ich das Drehbuch von Jennifer
in die Finger. Es war einer dieser komischen Momente: ich war ganz 
sicher: Diese Rolle würde ich nie kriegen, die liegt so fern von 
allem, was ich bisher gespielt habe. Und genau darum hatte ich den 
Mut, David Lynch anzusprechen. Ich hab ihm gesagt: ich würde gern in 
dem Film mitspielen. Er fragte zurück: "Welche Rolle denn?" Ich: "Die
Neunjährige." [Lacht] Normalerweise hört man, wenn man sich selbst 
bewirbt, nie wieder etwas. Aber in diesem Fall habe ich mich dann mit
Jennifer getroffen, und sie um die Rolle regelrecht angebettelt.
Warum haben Sie eigentlich nicht damit gerechnet, diese Rolle zu 
bekommen?
Weil ich selten moderne amerikanische Charaktere spiele - als 
Engländerin. Und schon gar keine FBI-Agentin. Wissen Sie: Ich bin ja 
jetzt schon eine ganze Weile in dem Geschäft. Und als Europäer in 
Hollywood, noch dazu als Frau, ist man normalerweise entweder der 
Schurke, oder man muss sich ausziehen. Und wenn man wie ich noch dazu
sehr klassische Stoffe spielt, in Theaterverfilmungen und in 
Kostümfilmen, dann ist es doppelt schwer, eine moderne amerikanische 
Figur zu bekommen. Darauf musste ich lange warten.
Wie war die Zusammenarbeit?
Jennifer Lynch hat es wirklich geschafft, die Euphorie und 
Leidenschaft in der Beziehung zwischen meiner Figur und der von Bill 
Pullman wach zu halten. Das Wundervolle war, wie sehr sie jeden 
einzelnen Augenblick am Set genossen hat. Es ist so kräftezehrend, 
Regisseur zu sein, und Jennifer war so großzügig. Verschiedene Leute 
am Set haben verschiedene Weisen zu arbeiten. Es ist nicht immer 
dasselbe. Es war soviel Herz in dieser Arbeit. Das hat man gespürt, 
und das ist keineswegs immer der Fall. Oft passiert es, dass 
irgendeiner am Set beleidigt ist, und sich in seiner Kreativität 
ausgebremst fühlt. Dann lehnt er sich innerlich zurück und arbeitet 
nur noch passiv. Dieses Gefühl kann alles infizieren. Die emotionale 
Beteiligung fehlt. Das fühlt man im Raum. Diese Arbeit war nicht "nur
ein Job". Dieser Typ Film und sein ganzer sarkastischer Grundton sind
für mich sehr anregend und spannend. Das ist ein Film, den ich als 
Zuschauerin wirklich gern sehen würde.
'Unter Kontrolle' entwirft ein sehr boshaftes Bild der Polizei... 
Voller Willkür und Sadismus...
Das gibt es im wahren Leben: Leute, die Macht haben, missbrauchen 
sie. Ich habe einen Freund gefragt, der Polizeiführer ist, was das 
Schwierigste sei an der Arbeit auf solchen kleinen Polizeistationen. 
Ich dachte, er erzählt mir etwas über Einsamkeit oder Furcht. Aber er
meinte: Das Schwierigste ist, dafür zu sorgen, dass es den Jungs 
nicht langweilig wird. Denn wenn sie sich langweilen, machen auch 
Polizisten Unsinn. Und entwickeln sich in einer Weise, die ihnen und 
ihren Mitmenschen nicht gut tut. Was passiert mit Menschen 
psychologisch, die dauernd mit Gewalt umgehen müssen? Das kann nicht 
folgenlos bleiben. In den USA leben ganz viele Vietnam-Veteranen als 
Obdachlose auf der Straße. Weil sie mit ihren Gewalterfahrungen nicht
fertig werden, und weil keiner weiß, was man mit ihnen machen soll. 
Den Irakkriegskämpfern wird es ähnlich gehen.
Haben Sie selbst auch vor, einmal die Seiten zu wechseln?
Ich würde wirklich gerne Regie führen, und ich habe auch schon ein
paar Dinge in dieser Richtung versucht. Aber es ist sehr leicht zu 
scheitern. Als Schauspielerin in den USA kann man kaum Regisseurin 
werden.
An was für einen Film hatten Sie denn gedacht?
Das sage ich Ihnen nicht. Das hab ich gelernt, dass man das besser
für sich behält. Aber wissen Sie: Wenn man ein paar Jahre als 
Schauspieler arbeitet, und immer mehr Erfahrung hat, auch die 
verschiedensten Regisseure bei ihrer Arbeit beobachtet, dann bekommt 
man nicht nur Lust, sondern auch mehr Selbstbewusstsein, es einmal 
selber zu probieren.
Zuletzt haben Sie im neuen Film von David Fincher mit Brad Pitt in
der Hauptrolle gespielt ('Der seltsame Fall des Benjamin Button'). 
Können Sie schon etwas verraten?
Er war ein wunderbarer Regisseur. Ich spiele Cate Blanchetts 
Tochter - sie soll im Film 80 Jahre alt sein. Cate ist brillant. Es 
war so ein Spaß, mit einer unprätentiösen Schauspielerin zu arbeiten,
die pünktlich am Set ist und unglaublich professionell arbeitet. 
David Fincher ist etwas sehr Besonderes. Nach meiner Erfahrung können
Regisseure zweierlei sein: Entweder verstehen sie sehr viel von 
Technik, sind darauf total fixiert, und haben Schwierigkeiten mit dem
emotionalen Teil des künstlerischen Prozess. Oder umgekehrt. Fincher 
ist die seltene Ausnahme. Er kann beides. Er ist phänomenal, denkt 
sehr visuell und er hatte zwar ein sehr großes Budget, aber am Set 
wurde keine Sekunde verschwendet.
Interview: Rüdiger Suchsland
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