Wie gefährlich sind Glücksspiele?
Neues Messinstrument schafft Klarheit in der Bewertung von Glücksspielangeboten
Interdisziplinär besetztes Forscherteam präsentiert Ergebnisse
Bonn (ots)
Auf Initiative der Aktion Mensch-Lotterie und der ARD-Fernsehlotterie "Ein Platz an der Sonne" haben Wissenschaftler das weltweit erste, empirisch validierte Messinstrument entwickelt, das das Gefährdungspotenzial von Glücksspielprodukten erheben kann.
"Mit dem von uns entwickelten Mess- und Bewertungsinstrument zur Feststellung des Gefährdungspotenzials von Glücksspielprodukten geben wir dem Gesetzgeber, der Rechtsprechung und der Verwaltungspraxis ein Werkzeug an die Hand, Glücksspielprodukte differenziert nach ihrem möglichen Gefährdungspotenzial zu bewerten", so Prof. Franz W. Peren vom Fachbereich Wirtschaft der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Er präsentierte heute im Wissenschaftszentrum Bonn die Ergebnisse des "Wissenschaftlichen Forums Glücksspiel". Seit Anfang 2007 hatte ein interdisziplinär besetztes Forscherteam mit Experten aus Ökonomie, Recht, Medizin, Psychologie und Soziologie an einem Mess- und Bewertungsinstrument zur Feststellung des Gefährdungspotenzials von Glücksspielen gearbeitet. "Ab sofort ist es möglich, ein messbares Profil einzelner Glücksspielprodukte zu erstellen. Das jeweilige Gefährdungspotenzial kann anhand unserer Mess- und Bewertungskriterien in transparenter Weise identifiziert und verglichen werden", so Prof. Gerhard Meyer von der Universität Bremen.
Umfassende empirische Basis
Die Forschung des "Wissenschaftlichen Forums Glücksspiel" basiert auf einer umfassenden und nachvollziehbaren empirischen Basis der Gefährdungskriterien und ihrer Gewichtung. Eine in dieser Form bisher einmalige Expertenbefragung (Delphi-Studie) in Deutschland, Österreich und der Schweiz erbrachte eine weitestgehende unabhängige Bestätigung. Hinzu kam eine empirische Untersuchung unter Normalspielern, Problemspielern und Anbietern. Ziel beider Befragungen: Strukturelle und situative Merkmale des Glücksspiels und damit des Gefährdungspotenzials von Glücksspielen zu ermitteln. Dies geschieht anhand von zwölf Kriterien, die wesentlich für Glücksspiele sind. So werden beispielsweise die Ereignisfrequenz, die Gewinnstruktur oder der Grad der Interaktivität gemessen. Die Kriterien werden anschaulich anhand von Scorecards oder Spinnendiagrammen dargestellt, so dass jedes Glücksspiel ein individuelles Profil erhält.
Staatsvertrag zum Glücksspielwesen
Seit dem 1. Januar 2008 gilt der Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland (GlüStV). Der Kontrakt schränkt unter anderem die Werbung und den Vertrieb von Glücksspielprodukten ein, was bei den meisten Anbietern zu teilweise drastischen Umsatzeinbußen geführt hat. Außerdem differenziert der GlüStV nur unzureichend zwischen Lotterien mit geringem Gefährdungspotenzial und solchen mit besonderem Gefährdungspotenzial. "In der praktischen Umsetzung entsteht jedoch gegenwärtig eine hohe Rechtsunsicherheit", erklärt Prof. Jörg Ennuschat von der Universität Konstanz. Umso wichtiger sei ein quantitatives Werkzeug, mit dem sich die Gefährdungspotenziale der angebotenen Glücksspielprodukte messen und vergleichen lassen. "Denkbar wäre", so der wissenschaftliche Leiter des Projektes, Prof. Peren, "eine wissenschaftlich begleitete Zertifizierung durch eine unabhängige Prüfstelle, die angebotene Glücksspiele nach ihrem jeweiligen Suchtgefährdungsgrad einstuft". Damit könnten Verbraucher selbstständig beurteilen, wie gefährlich ihr Glücksspiel ist. Gleichzeitig erhielten Anbieter auf dieser Grundlage die Möglichkeit, neue, weniger Sucht gefährdende Produkte zu entwickeln. Prof. Peren stellte abschließend fest: "Das heute vorgestellte Instrument mit öffentlichen Mitteln für die Suchtforschung weiterzuentwickeln und fortzuschreiben, wäre eine gesellschaftspolitisch und volkswirtschaftlich sinnvolle Investition zum Wohle aller Beteiligten und Betroffenen."
Finanziert wurden die Forschungen von den beiden Soziallotterien "Aktion Mensch" und der "ARD-Fernsehlotterie". Beide Lotterien engagieren sich auch für die Suchtprävention und stellen aus ihren Erträgen erhebliche Mittel für Einrichtungen der Suchthilfe zur Verfügung.
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Hochschule Bonn-Rhein-Sieg
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Telefon: 0172 - 243 72 32
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