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Aktion Mensch e.V.

Bundesgleichstellungsgesetz für Menschen mit Behinderungen seit 1. Mai in Kraft
"Einstieg in den Ausstieg aus der Benachteiligung"

Bonn/Berlin (ots)

  • Bundesarbeitsminister Riester und Behindertenverbände feierten gemeinsam
  • Verbände fordern ein Zivilrechtliches Antidiskriminierungsgesetz (ZAG)
Am 1. Mai 2002 ist das Bundesgleichstellungsgesetz für Menschen
mit Behinderungen in Kraft getreten. Dieses Gesetz ist "der Einstieg
in den Ausstieg aus der Benachteiligung und Ausgrenzung behinderter
Menschen", so Dr. Andreas Jürgens vom Forum behinderter Juristinnen
und Juristen, das maßgeblich an der Formulierung mitgewirkt hat, am
30. April in Berlin bei der Auftaktveranstaltung zum "Europäischen
Protesttag zur Gleichstellung behinderter Menschen". Vor rund 350
Vertreterinnen und Vertretern der Behindertenhilfe und -selbsthilfe
erklärte Bundesarbeitsminister Walter Riester, der Bund sei nun in
der Pflicht, das Gesetz mit Leben zu füllen. "Die Bundesbehörden
müssen Beispiele setzen, auf die sich andere beziehen können", sagte
Riester. "Sonst bleibt dieses Gesetz eine leere Papierhülse."
Zuvor hatte der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange
der Behinderten, Karl Hermann Haack, das Gesetz allen Menschen mit
Behinderungen in Deutschland symbolisch übergeben. "In gemeinsamer
Arbeit ist es uns gelungen, den behindertenpolitischen Reformstau
aufzulösen", sagte Haack. Damit sei ein behindertenpolitischer
Paradigmenwechsel eingeleitet worden, bei dem Selbstbestimmung statt
Fürsorge die Richtschnur der künftigen Integrationspolitik sei.
Kernstück des Bundesgleichstellungsgesetzes ist die Herstellung
einer umfassend verstandenen Barrierefreiheit. Gemeint ist damit
nicht nur die Beseitigung räumlicher Barrieren für Rollstuhlfahrer
und Gehbehinderte, sondern zum Beispiel auch die Kommunikation
blinder und sehbehinderter Menschen in den elektronischen Medien und
ihre Teilnahme an Wahlen. Behinderten Menschen soll ermöglicht
werden, alle Lebensbereiche wie bauliche Anlagen, Verkehrsmittel,
technische Gebrauchsgegenstände und Kommunikationseinrichtungen "in
der allgemein übliche Weise, ohne besondere Erschwernisse und ohne
fremde Hilfe" zu nutzen. Zur Erreichung dieses Ziels wurden
verschiedene Bundesgesetze im Bereich Bahn-, Luft- und Nahverkehr
sowie u.a. das Gaststätten und Hochschulrahmengesetz geändert. Die
Deutsche Gebärdensprache wird als eigenständige Sprache anerkannt.
Verbände fordern Zivilrechtliches Antidiskriminierungsgesetz (ZAG)
Das Bundesgleichstellungsgesetz kann nach Ansicht der
Organisationen der Behindertenhilfe und -selbsthilfe aber nur der
Anfang eines Prozesses sein, der zum Beispiel auf Landes- und
kommunaler Ebene und durch ein Zivilrechtliches
Antidiskriminierungsgesetz (ZAG) fortgesetzt werden muss. "Der
behindertenpolitische Erfolg der Bundesregierung ist erst dann
gegeben, wenn es gelingt, noch in dieser Legislaturperiode das ZAG zu
verwirklichen", erklärte die Vorsitzende des Deutschen
Behindertenrates, Brigitte Pathe. Pathe veröffentlichte einen Appell
des Deutschen Behindertenrates an Bundeskanzler Gerhard Schröder,
"nicht auf halbem Weg stehen zu bleiben." Ein Entwurf für das Gesetz,
das vor Diskriminierung im privaten Rechtsverkehr schützen soll,
liege bereits seit Monaten im Justizministerium vor.
In einem Grußwort an die Teilnehmer der Berliner Veranstaltung
schloss Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin allerdings aus,
dass das ZAG noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werde.
Das ursprünglich für 2002 geplante Gesetz solle nun doch erst nach
der Bundestagswahl im Herbst angegangen werden.
Der Bundesgeschäftsführer der Lebenshilfe für Menschen mit
geistiger Behinderung, Dr. Bernhard Conrads, verdeutlichte, warum das
ZAG gerade für Menschen mit geistiger Behinderung wichtig ist. Der
Entwurf des Justizministeriums gebe zum Beispiel Handhabe gegen
Diskriminierung im Versicherungsbereich sowie Hotel- und
Gaststättengewerbe und ermögliche rechtsverbindliche
Vereinsmitgliedschaften. "Zur Durchsetzung solcher Anliegen ist
insbesondere das im ZAG vorgesehene Verbandsklagerecht von besonderer
Bedeutung", so Conrads.
Den Handlungsbedarf auf Landesebene verdeutlichte der ehemalige
Präsident des Deutsche Gehörlosen-Bundes und
Landesbehindertenbeauftragte von Schleswig-Holstein, Dr. Ulrich Hase.
Zwar sei nun die Gebärdensprache durch das
Bundesgleichstellungsgesetz anerkannt, doch lägen wichtige Regelungen
zur Gebärdensprache im Zuständigkeitsbereich der Länder.
Aktion Grundgesetz: Gleichstellung ... aber richtig
Der Geschäftsführer der Aktion Mensch, Dieter Gutschick, erinnerte
daran, dass über 100 Verbände und Organisationen der Behindertenhilfe
und -selbsthilfe seit 1997 in der Aktion Grundgesetz gemeinsam nicht
nur für das Bundesgleichstellungsgesetz, sondern im Rahmen des
"Europäischen Protesttages zur Gleichstellung von Menschen mit
Behinderungen" am 5. Mai für eine grundlegende rechtliche
Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in Deutschland
gestritten hätten. Aus diesem Grund laute das Motto des diesjährigen
5. Mai auch "Gleichstellung ...aber richtig!" Ein Ziel: Bis Ende 2002
mindestens 100 Kommunen dazu zu bewegen, einen Beschluss für eine
barrierefreie Stadt zu fassen.
Die "Aktion Grundgesetz" hat sich seit 1997 zur größten
Sozialkampagne der deutschen Nachkriegsgeschichte entwickelt.
Initiiert von der Aktion Mensch und unter der Schirmherrschaft des
Bundespräsidenten streiten über 100 Organisationen der
Behindertenhilfe und -selbsthilfe für die rechtliche Gleichstellung
behinderter Menschen. Im letzten Jahr haben sich in Deutschland rund
120.000 Menschen an Aktionen zum 5. Mai beteiligt. Somit ist diese
Kampagne die größte Protestbewegung seit der deutschen
Wiedervereinigung.

Pressekontakt:

Aktion Mensch
Heike Zirden
Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit/Aufklärung
Tel.: 0228 / 2092-262
mobil:01 72 / 24 37 262
Fax: 0228 / 2092206
e-mail: heike.zirden@aktion-mensch.de
url: www.aktion-mensch.de und www.aktion-grundgesetz.de

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