Teilhabe, Gleichstellung, Selbstbestimmung
100.000 Menschen demonstrieren bundesweit am heutigen "Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen"
Bonn (ots)
Rund 100.000 Menschen gingen heute bundesweit in über 150 Städten und Gemeinden anläßlich des "Europäischen Protesttags zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen" auf die Straße. Mit Kundgebungen, Straßen- und Sportfesten, Musik- und Theateraufführungen sowie Informationsveranstaltungen brachten sie ihre Forderung nach mehr Gleichberechtigung und Chancengleichheit zum Ausdruck. Der jährlich stattfindende Protesttag stand in diesem Jahr ganz im Zeichen des Europäischen Jahres der Menschen mit Behinderungen 2003 (EJMB). Dessen Motto, "Teilhabe, Gleichstellung, Selbstbestimmung", war auch der gemeinsame Slogan aller Veranstaltungen zum diesjährigen 5. Mai. In Berlin bildeten beispielsweise am Vormittag rund 800 Menschen mit und ohne Behinderung eine Kette, die vom Bundesfinanzministerium bis zum Bundesministerium für Gesundheit und Soziales reichte. Auf Flugblättern forderten die Demonstranten die Umsetzung der bereits bestehenden gesetzlichen Zielvorgaben zur Verbesserung der Situation von Menschen mit Behinderungen etwa im Bereich der ambulanten Versorgung. Aufgerufen hatten der Berliner Behindertenverband, die Lebenshilfe und der Sozialverband VdK. Bundesweit gehörten insgesamt rund 100 Vereine und Verbände der Behindertenhilfe und -selbsthilfe zu den Veranstaltern. Sie haben sich 1997 zusammen mit der Aktion Mensch zur "Aktion Grundgesetz" zusammengeschlossen streiten seitdem für die Rechte von Menschen mit Behinderungen. "Es ist ein Verfassungsgrundsatz, dessen Verwirklichung wir immer wieder fordern: 'Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden' (Art. 3, Abs. 3 GG)", erinnerte Dieter Gutschick, Geschäftsführer der Aktion Mensch, heute auf einer Pressekonferenz, zu der die Aktion Mensch und die Nationalen Koordinierungsstelle für das EJMB eingeladen hatten.
Barrierefreiheit: Kommunen auf dem Prüfstand Kernpunkt der Aktivitäten zum 5. Mai in diesem Jahr war laut Gutschick ein vom Leiter der Nationalen Koordinierungsstelle, Horst Frehe, entwickelter Städtetest - ein Kriterienkatalog mit dessen Hilfe Gruppen vor Ort ihre Stadt auf Barrierefreiheit prüfen konnten. Ein Jahr nach Inkrafttreten des Bundesgleichstellungsgesetzes für Menschen mit Behinderungen, das den barrierefreien Zugang zu Einrichtungen und Informationen des Bundes als Ziel festgeschrieben hat, solle der Städtetest helfen, die Übernahme dieser Regelungen auch auf Landes- und kommunaler Ebene voranzutreiben. Dabei geht es sowohl um die Zugänglichkeit von Gebäuden für Rollstuhlfahrer oder Blinde, als auch um die Verständlichkeit von Anträgen und Informationen für Blinde, Hörgeschädigte oder Menschen mit kognitiven Einschränkungen. "Diese kleine 'PISA-Studie' der Barrierefreiheit soll etwas Unruhe schaffen, wenn eine Gemeinde noch weit von den gesetzlichen Vorgaben zur Barrierefreiheit entfernt ist", sagte Frehe heute auf der Pressekonferenz in Berlin.
Neben der Verwirklichung von Barrierefreiheit forderte der als Redner zur Pressekonferenz geladene Sprecher des Deutschen Behindertenrats, Dr. Stafan Heinik, die rechtliche Gleichstellung von Menschen mit Behinderung. Unverzichtbar sei ein Zivilrechliches Antidiskriminierungsgesetz als Instrument gegen ungleiche Behandlung und Demütigung von Menschen mit Behinderungen im Alltag. Außerdem mahnte er die Bundesregierung, bei der anstehenden Gesundheitsreform die Leistungen für behinderte und chronisch kranke Menschen nicht zu beschränken.
Zugänglichkeit für alle auch im Internet Barrieren in ganz anderer Form als der von Bordsteinen und Treppen will der anläßlich des EJMB von der Aktion Mensch und der Stiftung Digitale Chancen heute ausgeschriebene BIENE-Award überwinden. Prämiert werden sollen barrierefrei gestaltete Internet-Angebote. Der wissenschaftliche Leiter der Stiftung Digitale Chancen, Prof. Herbert Kubicek, sagte heute bei der offiziellen Ausschreibung des Awards ebenfalls auf der Pressekonferenz in Berlin: "Der Wettbewerb wird zeigen, dass barrierefreie Gestaltung kein Zugeständnis an Menschen mit Behinderung zu Lasten von Funktionalität oder ansprechendem Design ist, sondern dass solche Angebote von allen Menschen besser verstanden und daher besser genutzt werden können."
1000Fragen im Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen Einen weiteren Themenschwerpunkt der Arbeit von Aktion Mensch im EJMB ist das bereits im Oktober letzten Jahres gestartete 1000Fragen- Projekt, bei dem Aktion Mensch bundesweit auf Plakaten in Anzeigen und in Kinospots dazu aufruft unter www.1000fragen.de Fragen zum Thema Bioethik zu stellen und die Fragen anderer zu kommentieren. Das Projekt soll dazu dienen, dass sich möglichst große Teile der Bevölkerung und insbesondere Menschen mit Behinderungen an der aktuellen und drängenden Diskussion in diesem Bereich beteiligen. Mittlerweile seien über 6.500 Fragen gestellt und mit über 24.000 Kommentaren versehen worden, berichtete Gutschick. Gleichzeitig kündigte er an, dass die bis September 2003 gesammelten Fragen an den Deutschen Bundestag, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und den Verband der Biotech-Unternehemen übergeben werden. "Wir werden hierfür vom 19. bis 24. September Berlin zur 'Stadt der 1000 Fragen' machen", versprach Gutschick.
Die "Aktion Grundgesetz" hat sich seit 1997 zur größten Sozialkampagne der deutschen Nachkriegsgeschichte entwickelt. Unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten gingen in den letzten sechs Jahren in Deutschland insgesamt rund 600.000 Menschen rund um den jeweiligen 5. Mai auf die Straße.
Pressekontakt:
Heike Zirden,
Pressesprecherin Dt. Behindertenhilfe Aktion Mensch e.V.
Tel: 0228 / 2092 -262, -118, -121, Fax:-206
Weitere Infos und eine Übersicht über alle von der Aktion Mensch
geförderten Aktionen zum 5. Mai finden Sie unter
http://www.aktion-grundgesetz.de/aktionsfinder.php
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