Lausitzer Rundschau: Die SPD sucht eine Richtung
Cottbus (ots)
Wenn Thomas Jurk eine Aktie wäre, dann wäre er gnadenlos überbewertet. Damit soll nichts über die Leistungen des Lausitzers als sächsischer Wirtschaftsminister gesagt sein - sondern lediglich etwas über die Tatsache, dass der SPD-Landesvorsitzende überhaupt in dieses bedeutende Amt kommen konnte, nachdem seine Partei bei der Landtagswahl 2004 gerade einmal klägliche 9,8 Prozent der Stimmen geholt hatte. Sachsen mag ein Extrembeispiel sein. Aber wer die Prozentzahlen, mit der Sozialdemokraten in den Parlamenten von Kiel bis München sitzen, nebeneinander legt, dem wird klar, wie tief die Krise der Partei tatsächlich ist. Über 40 Prozent liegt sie nur noch in Rheinland-Pfalz, ansonsten ist die SPD von der Volks- zur 30-Prozent-Partei geworden. Und: Es spricht nichts dafür, dass sich daran auf mittlere Sicht etwas ändert. Für diese düstere Prognose gibt es eine Reihe von Gründen. Der augenfälligste: das Personal. Während es den Vorsitzenden etlicher Landesverbände nicht gelingt, bundesweit überhaupt auch nur wahrgenommen zu werden, haben die wenigen Hoffnungsträger entweder - wie Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck - ihre bundespolitische Zukunft bereits hinter sich. Oder sie scheitern - wie etwa die baden-württembergische SPD-Chefin Ute Vogt - schon an der Notwendigkeit, irgendwann einmal eine Wahl gewinnen zu müssen, um sich für Höheres zu empfehlen. Was bleibt sind Kurt Beck und die sozialdemokratischen Minister der großen Koalition. Und, na ja, Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit. Schwerer als das personelle wiegt aber das inhaltliche und, damit verbunden, das strategische Problem der Partei. Das hat übrigens nicht Kurt Beck zu verantworten - obwohl er derzeit vielen als Prügelknabe herhalten muss, ist er doch nur der unglückliche Verwalter des schweren Erbes von Gerhard Schröder. Der hatte 2003 - also wohlgemerkt erst im fünften Jahr seiner sieben Jahre währenden Kanzlerschaft - mit der Verkündung der Agenda 2010 eine Reihe von Einschnitten in den Sozialstaat eingeleitet, die Deutschland fit für die Zukunft machen sollten. Für diese Politik gab es zwar Beifall von Ökonomieprofessoren, diversen Leitartiklern und dem politischen Gegner. Gleichzeitig aber ist der SPD damit ihr politisches Kerngeschäft Schaffung sozialer Gerechtigkeit abhanden gekommen. Ein signifikanter Teil ihrer ureigensten Klientel, der Arbeitnehmerschaft, kauft der Partei nicht mehr ab, dass sie wirklich ihre Interessen vertritt. Eine Entwicklung, die den Raum für die Entstehung einer bundesweiten Linkspartei schuf - aus sozialdemokratischer Sicht eine strategische Katastrophe. Wenn Kurt Beck jetzt in aller Vorsicht versucht, Teile der Agenda zu korrigieren (beziehungsweise weiterzuentwickeln, wie er es formuliert), dann ist das nicht nur eine verständliche Reaktion auf dieses Dilemma, sondern die einzig mögliche, will die SPD in Zukunft wieder Wahlen gewinnen. Becks innerparteiliche Gegner argumentieren, die Agenda sei alternativlos und erfolgreich gewesen, ein Kurswechsel deshalb nicht notwenig. Im Kern heißt das: Notfalls muss sich die SPD eben zum Wohle des Landes opfern. Ein edler Gedanke. Nur: Wer sich opfert, der ist am Ende eben tot.
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