Lausitzer Rundschau: Lafontaine zieht sich bundespolitisch zurück Quo vadis Linkspartei?
Cottbus (ots)
Zuletzt war das gesammelte Schweigen von Oskar Lafontaine beinah schon zu einer Existenzbedrohung für die Linke geworden. Im Machtvakuum fielen all jene innerparteilichen Kräfte übereinander her, für die der ironische Dreiklang "Feind, Freund, Parteifreund" noch eine harmlose Umschreibung ist. Vor diesem Hintergrund sah sich Lafontaine wohl genötigt, seine erst für den kommenden Monat beabsichtigte Offenbarung vorzuziehen. Immerhin hat die Linke jetzt Klarheit, dass es mit ihrer Galionsfigur bundespolitisch nicht mehr weiter geht. Genau das schafft allerdings neue Unklarheiten, nämlich, wie es mit der Partei als Ganzes weitergeht. Oskar Lafontaine gehört zweifellos zu den umstrittensten Politiker-Persönlichkeiten des Landes. Doch auch seine ärgsten Gegner werden ihm nicht absprechen, dass er ein strategisches und rhetorisches Naturtalent ist. Früher wusste er die SPD politisch zu begeistern, nach dem spektakulären Bruch mit seinen Genossen wiederholte Lafontaine das Phänomen bei der Linkspartei. Ohne ihn wäre sie niemals bundespolitisch in Erscheinung getreten und die kaderpolitisch straff organisierte Ex-PDS wäre ostdeutsche Regionalpartei geblieben. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Lafontaine mit seinem autoritären Führungsstil den immer schärfer werdenden Ost-West-Gegensatz in der Partei lange überstrahlt hat. Zwischen Rügen und Thüringen wollen die Parteipragmatiker endlich im System ankommen. Im Westen speist sich das Dasein der Linken aus den gesellschaftlichen Rändern und einem grundsätzlichen Misstrauen gegen die Mächtigen. An diesem Spagat droht die Partei zu zerbrechen. Dass Linkswähler nun in Scharen zu den Sozialdemokraten überlaufen, darf freilich bezweifelt werden. Durch die zunehmende soziale Spaltung der Gesellschaft wird sich auch in den alten Bundesländern immer ein gewisses Potenzial für linke Extreme finden. Dessen Wünsche kann die SPD kaum in ihr Oppositionsvokabular aufnehmen. Die Enttäuschung wäre umso größer, wenn sie wieder einmal mitregiert. Derweil ist es gut möglich, dass Gregor Gysi erst einmal den Retter der Linken spielt. So wie er das schon vor zwei Jahrzehnten getan hat, als die SED in größter Not war und sich zur PDS umdeklarierte. Doch auch das wäre wohl nur eine Übergangslösung. Gysi hat es nie vermocht, mit seiner Partei im Westen Fuß zu fassen. Dazu musste erst Lafontaine kommen. Was sein Verlust für die Linke bedeutet, wird sich schon bei den Landtagswahlen Anfang Mai in Nordhrein-Westfalen zeigen. Mit Lafontaine an der Spitze hatte die Partei sicher Probleme. Ohne ihn werden sie noch viel größer.
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