Lausitzer Rundschau: Ehre gegen Wahrheit? Zur türkischen Kritik an einer Armenien-Resolution der USA
Cottbus (ots)
Die scharfe Reaktion der türkischen Regierung auf eine Resolution des Auswärtigen Ausschusses des US-Repräsentantenhauses offenbart einiges über die Schwierigkeiten am Bosporus, mit der Geschichte des eigenen Landes umzugehen. Denn der in Washington mit denkbar knappster Mehrheit beschlossene Text taugt nicht als Grund für die heftigen Proteste, die das Verhältnis zwischen den beiden Nato-Partnern dauerhaft belasten könnten. Deswegen auch führt die Kritik an dem angeblich rückwärtsgewandten und kurzsichtigen Verhalten der amerikanischen Volksvertreter in die Irre. Die Türkei in ihrem gegenwärtigen Zustand lässt nicht nur mit Blick auf die Vergangenheit keine schonungslose Debatte zu. Im Umgang mit den kurdischen Bevölkerungsteilen, mit der Zypern-Frage oder den ums Überleben kämpfenden christlichen Minderheiten im Lande offenbart sie wieder und wieder ihre Schwächen. Sie hat sich auf dem Weg zu einer offenen, konfliktfähigen Gesellschaft festgefahren in zahllosen Widersprüchen. Dies ist nicht zuletzt eine Folge der gewaltsam von oben verordneten Modernisierung des einstigen Osmanischen Reiches, die eine Beteiligung des Volkes ausschloss. Deswegen verfügt das Land nicht über die Strukturen, die den Umgang mit offenkundigen Problemen ermöglicht. Der Völkermord an den Armeniern ist dabei nur symptomatisch, und der gegenwärtige Konflikt mit den Parlamentariern der USA steht nur stellvertretend für eine lange Liste ungeklärter Fragen.
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