Lausitzer Rundschau: Berliner Frühjahrsblüher Nach Dauerstreit und Tatenlosigkeit regiert Schwarz-Gelb
Cottbus (ots)
Die Natur erwacht und mit ihr die Bundesregierung. Den ersten warmen Sonnenstrahlen folgend scheint sich Schwarz-Gelb entschlossen zu haben, das zu tun, wofür es gewählt wurde: Entscheiden. Der längste Winterschlaf, den sich ein Kabinett je genehmigt hat, ist offenbar vorbei. Bankenabgabe, Kostendämpfung am Arzneimittelmarkt, Runder Tisch gegen sexuellen Missbrauch, die Griechenlandhilfe, Mindestlohn im Pflegebereich und die Jobcenter-Reform - alles in der vergangenen Woche verkündet. Echte Frühjahrsblüher scheinen da in den Ministerien verborgen gewesen zu sein, wie die Tulpenzwiebeln im Garten. Außerdem ist die ganze Atmosphäre etwas ruhiger geworden, seit Guido Westerwelle mal ein paar Wochen lang nicht mehr so viel Wind macht. Man sieht förmlich, wie es dem Ganzen gut tut, wenn er schweigt. Die Frage ist jedoch, ob wir es bei diesem Ausbruch von Vernunft mit einer Scheinblüte zu tun haben, vielleicht gar mit einer Notaustreibung. Fakt ist nämlich, dass Schwarz-Gelb sich die Phase des Totstellens wegen der Landtagwahl am 9. Mai in Nordrhein-Westfalen selbst verordnet hatte; andere nennen das Arbeits- und Entscheidungsverweigerung. Fakt ist, dass diese Strategie nicht aufging, weil man dazu viel zu zerstritten ist. Die Umfragen für Düsseldorf sind nun so im Keller, dass dringend umgesteuert werden musste. Bei ihrem letzten Koalitionsgipfel vereinbarten die drei Parteivorsitzenden genau die Strategie, die derzeit zu beobachten ist, die Hinwendung zur Sacharbeit wenigstens auf den unstrittigen Feldern. Dieser zeitliche Ablauf begründet ein erhebliches Misstrauen. Wenn die Koalition gemeinsame Projekte hätte, die sie überzeugend findet, warum hat sie diese nicht gleich mit Elan begonnen, denn so etwas schmückt doch auch einen Landtagswahlkampf? Oder hat man solche Projekte außerhalb der jetzt entschiedenen, eher kleinteiligen Fragen in Wirklichkeit gar nicht und wenn, sind sie so schlecht, dass man damit aus guten Gründen hinter dem Berg hält? Zum Beispiel wegen der Belastungen, die auf viele Bürger durch eine Kopfpauschale im Gesundheitswesen zukommen könnten, oder wegen der Verarmung der Kommunen, die die Folge von Steuersenkungen wäre? Es ist ja kein Zufall, dass die wirklich wichtigen Reformen auch in diesem Frühjahr der Entscheidungen nicht vorankommen, sondern in Kommissionen verschoben werden. Was diese Koalition wirklich will und kann, wird sich erst nach dem 9. Mai zeigen.
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