Lausitzer Rundschau: Klarer Kurs? Fehlanzeige Zur Steuerschätzung und dem Streit der Parteien
Cottbus (ots)
Der gestrige Donnerstag sollte ursprünglich ein magisches Datum im noch jungen Leben der schwarz-gelben Koalition werden. Über Monate hatte sie die amtliche Bekanntgabe der Steuerschätzung wie ein biblisches Ereignis inszeniert. Würden erst einmal die fiskalischen Daten vorliegen, dann, so die Verheißung, ließe sich auch der Steuerstreit lösen. Das waren von Anfang an politische Nebelschwaden. Sie sollten lediglich dazu dienen, sich möglichst schadlos über die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen zu schummeln. In Wahrheit stand schon seit geraumer Zeit fest, dass die Steuerexperten keine verborgenen Schätze heben würden. Nun ist es noch schlimmer gekommen als befürchtet. Fast 39Milliarden Euro könnten den öffentlichen Kassen bis Ende2013 im Vergleich zur letzten Prognose fehlen. Aber Union und FDP zanken unverdrossen weiter: Die Liberalen singen das Hohelied der Steuersenkung. Und CDU-Kassenwart Wolfgang Schäuble verkündet zwischen den Zeilen, dass er nichts davon hält. Klarer Kurs? Fehlanzeige. Dabei müsste die Regierung gerade jetzt aus mehreren Gründen Prioritäten setzen. Erstens belegt die Griechenland-Krise, wie eine ungehemmte Verschuldung in brachiale Gewalt auf der Straße münden kann. Das sollte auch Deutschland eine Warnung sein. Schon deshalb besteht die allererste Aufgabe darin, die öffentlichen Haushalte zu sanieren. Wer ernsthaft behauptet, das ginge mit Steuersenkungen, der beleidigt den gesunden Menschenverstand breiter Bevölkerungsschichten. Dazu lohnt auch ein Blick in die aktuelle Steuerexpertise. Dass in den kommenden Jahren deutlich höhere Einnahmeausfälle drohen als noch im Mai2009 veranschlagt, hat in erster Linie mit den bereits beschlossenen Steuernachlässen etwa für Hotelbesitzer und Erben zu tun. Soviel zur liberalen Mär vom Selbstfinanzierungseffekt einer fiskalischen Entlastung. Zweitens: Wenn das Geld schon denkbar knapp ist, dann muss es in zukunftsträchtige Bereiche investiert werden: in Bildung und Forschung und in erneuerbare Energien. Erst wenn diese beiden Prioritäten erfüllt sind, lässt sich auch über Steuersenkungen nachdenken. Aber das kann noch Jahre dauern. Wer daraus wie die FDP einen Generalangriff auf die Gerechtigkeit im Land konstruiert, der sollte daran erinnert werden, dass die durchschnittliche Steuerbelastung der Deutschen schon seit den späten 1990er-Jahren von allen Regierungen deutlich nach unten reformiert wurde. Damals lagen der Eingangssteuersatz noch bei knapp 26 und der Spitzensteuersatz bei 53Prozent. Heute sind es 14 beziehungsweise 46Prozent. Auch das zeigt: Die Steuerfrage ist wahrlich nicht das vordringliche Problem im Land. Zumal nun auch noch die Hilfe für Griechenland geschultert werden muss. Formal hat sie mit dem Bundesetat zwar nichts zu tun. Schließlich handelt es sich erst einmal nur um staatliche Kreditbürgschaften. Eine solide Haushaltsführung verlangt allerdings auch, eine gewisse Vorsorge für mögliche Ausfallrisiken zu treffen. Insofern hängt doch alles mit allem zusammen. Das gilt auch für die klammen Sozialkassen. Was nützen den Bürgern Steuersenkungen, wenn sie auf der anderen Seite absehbar höhere Beiträge an die Kranken- und Arbeitslosenkasse abführen müssen? Eine solche Umfinanzierung wäre erst recht sozial ungerecht. All das hätte Finanzminister Schäuble gestern klarstellen müssen. Stattdessen spielt auch der Kassenwart das fiskalische Versteckspiel weiter mit. Wo und wie konkret gespart werden soll, bleibt ungewiss. Eine simple Prognose wie die jüngste Steuerschätzung ist eben nicht die Lösung, sondern Teil des weiter schwelenden Problems dieser Bundesregierung.
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