Lausitzer Rundschau: Ein ganzes Volk nimmt sich eine stressbefreite Auszeit
Cottbus (ots)
Einfach ist oft genial. Eine Studententruppe dichtet Lenas Superhit "Satellite" in "Schland o Schland" um, landet damit den Fußballhit des Sommers und gibt mit "Schland" einem eigenartigen deutschen Lebensgefühl den Namen. Es geht um Deutschland, doch dieses schwarz-rot-gelb geschmückte Gemeinschaftsgefühl ist so weit von jenem zackig-strammen Nationalismus entfernt wie der Winter vom Sommer. Beides zusammen geht nicht. Es ist eher das Gegenstück zum militanten Nationalismus, mit dem das Land zuweilen in Verbindung gebracht wird, der dunklen Vergangenheit wegen, aber auch, weil diese lebensverachtende Denkart noch immer in irgendwelchen kruden extremistischen Kameradschaften ihre Blüten treibt. Doch kann ein strammer Nationalchauvinist so verrückt sein, seinem Autospiegel einen schwarz-rot-goldenen Pullover überzuziehen? Eher nein. Es ist ein ganz anderes Bekenntnis, das sich auf den Straßen und Plätzen fröhlich versammelt: Ja, ich bin stolz auf diese deutsche Mannschaft. Und ich bin so frei, diesen Stolz ironisch zu verkleiden. Es ist ein kunterbunter Karneval, kein Marschieren, sondern ein permanentes Tänzeln. Die kollektive Verzückung, die sich die deutsche Gesellschaft in diesen Wochen gönnt, ist die konsequente Fortsetzung des Lena-Traums: Attraktiv, aber nicht unanständig. Lebenslustig, aber nicht hysterisch. Es ist auch eine kleine und wohltuende Pflichtvergessenheit, die sich das Deutschland dieser Tage gönnt. Die Bundeskanzlerin im Stadion in ihrer grell-roten Jacke, deren Mundwinkel sonst so oft missmutig nach unten zeigen, symbolisiert diese Auszeit recht gut. Ihre Koalition funktioniert nicht, ihr politisches Umfeld gleicht einem Minenfeld, die wirtschaftspolitischen Gegebenheiten sind grauenvoll. Aber Merkel strahlt pausbäckig - Urlaub vom Dauerstress. Was Deutschland gerade erlebt, ist ein fröhlicher Protestzug gegen die Zwänge der Zeit. Das Gefühl heiterer Gemeinsamkeit paart sich mit der anarchistischen Lust, unangeschnallt durch die Straßen zu hupen - wohlwissend, dass solches Fehlverhalten von der "Straßenverkehrsordnung" nicht gedeckt ist. Na und? Das deutsche Fußballfieber ist der glaubwürdige Gegenentwurf zum verbiesterten Chauvinismus extremistischer Gruppen. Die Fan-Gemeinde ist schrill und bunt, durchaus vergleichbar mit der nationalen Vielfalt in der deutschen Nationalmannschaft selbst. Gewiss, bald holt uns der Ernst des Lebens wieder ein. Ein Fest kann ja nicht ewig dauern. Aber bis dahin lassen wir uns noch ein paar Tage fröhlich treiben - egal, wo die deutsche Elf am Ende landet. Platz vier unter den Besten der Welt ist ihr doch schon sicher!
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