Lausitzer Rundschau: Mehr Volk - aber richtig! Zu den Volksentscheiden in Bayern und Hamburg
Cottbus (ots)
Sie haben Konjunktur, die Urnengänge, bei denen Bürger direkt die zukünftige Politik in Sachfragen bestimmen. Jüngst haben die Bayern auf diesem Weg den Nichtraucherschutz erheblich ausgeweitet und an diesem Wochenende wird in Hamburg über die künftige Schulpolitik der Hansestadt entschieden. Längst ist dieses Aufleben von Elementen direkter Demokratie mehr als nur eine Antwort auf die zunehmende Distanz, die das Wahlvolk zu den Parteien und ihren Vertretern entwickelt. Die Menschen zeigen allerorts, dass sie Abschied genommen haben von einer Haltung, die Berufspolitikern das Feld überlässt und ansonsten in Ruhe gelassen werden will. Ein erheblicher Teil der Bevölkerung fühlt sich hinreichend gut informiert, um nicht nur eine klare Meinung zu entwickeln, sondern auch unmittelbar mitentscheiden zu wollen. Die Parteien reagieren darauf mit zögerlicher Zustimmung. Sie wissen sehr wohl, dass solche Abstimmungen nicht nur ihr Regelungsmonopol antasten, sondern zuweilen zu einer wesentlichen Gefahr für ihre strategischen Überlegungen werden können. Tatsächlich aber wird die Demokratie in der Bundesrepublik nur dann hinreichend vital bleiben, wenn sie diesen Trend zur stärkeren Mitsprache auch berücksichtigt und zu neuen Verfahren bereit ist. Nach wie vor gleichen in vielen Bundesländern die Schritte zu einem Volksentscheid eher einem Hindernislauf. Brandenburg beispielsweise verlangt von seinen Bürgern bei Elementen der direkten Demokratie ein Maß an Engagement, das beim normalen Gang an die Wahlurnen undenkbar wäre. Da zieht es angesichts der abgesunkenen Wahlbeteiligung auch nicht, wenn die Gültigkeit von solchen Abstimmungen an Beteiligungsquoten gebunden ist, die - wie in der Stadt Berlin erlebt - über denen liegen, die zur Regierungsbildung reichen. Mehr Volk im demokratischen Prozess bedarf also neuer Regelungen. Dies fängt beim Prozedere an und endet bei der Frage, ob Bürgerinitiativen nicht genau so wie Parteien ihre Kampagnenkosten erstattet bekommen. Der Einwand, es werde damit möglicherweise Demagogen der Weg bereitet, verfängt dabei nicht. Inzwischen hat die Bürgergesellschaft neue Wege zu Mobilisierung von Sachverstand gefunden. Ein wesentlicher Teil der politischen Willensbildung findet längst außerhalb der traditionellen Strukturen in den modernen Kommunikationsnetzen statt. Die stärker mit einzubeziehen, sie als Foren für die Erkundung des Bürgerwillens zu nutzen und dann den Weg zur Entscheidungsfindung zu verbreitern, ist eine ganz neue Herausforderung bei den plebiszitären Elementen unserer politischen Ordnung. Insgesamt gilt jedenfalls der wesentliche Grundsatz eines demokratischen Gemeinwesens, wonach es immer besser ist, wenn möglichst viele sich nicht nur Gedanken machen, sondern daran beteiligt sind, die Spielregeln zu bestimmen.
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