Lausitzer Rundschau: Tschernobyl und die Apokalypse Zum 25. Jahrestag des Supergaus
Cottbus (ots)
Wladimir Gudow, vor 25 Jahren stellvertretender Kommandant der Tschernobyl-Liquidatoren, kann nur unter Qualen von der Mission seines Spezialbataillons 731 erzählen. Seine Soldaten schütteten damals den weißglühenden Reaktorkern zu. Es war der Einsatz ihres Lebens: Drei Viertel von Gudows Männern sind inzwischen tot. Für viele Millionen Menschen ist Tschernobyl zu einem Albtraum ohne Ende geworden. Rund um das Katastrophen-AKW ist noch immer ein Gebiet verstrahlt, das so groß ist wie Österreich und die Schweiz zusammen. Zehntausende Krebstote sind ebenso Teil der Schreckensbilanz wie die materiellen Verluste, die auf etwa eine halbe Billion Euro geschätzt werden. Tschernobyl war eine Menschheitskatastrophe. Gudow geht jedoch noch weiter. Er leitet den Namen Tschernobyl - sprachhistorisch nicht ganz sauber - vom ukrainischen Wort für Wermut ab und zitiert die biblische Apokalypse: "Der dritte Engel stieß in die Posaune. Da fiel vom Himmel ein großer Stern. Er fiel auf ein Drittel der Flüsse. Der Name des Sterns war Wermut. Da wurde ein Drittel des Wassers zu Wermut, und viele Menschen starben, weil das Wasser bitter war." Tschernobyl als Apokalypse: Das ist, mit Verlaub, Unsinn! Die Reaktorkatastrophe in der Sowjetunion war genauso menschengemacht wie die Tragödie in Fukushima. Dies zu betonen, ist wichtig. Denn die Überhöhung des GAU zur Gottesstrafe ist kontraproduktiv. Zum einen entlasten Apokalypse-Szenarien die Täter, die sowjetischen Apparatschiks genauso wie die japanischen AKW-Betreiber. Zum anderen steigert sich so die Atomangst ins Irrationale. Um es klar zu sagen: Die Folgen von Tschernobyl und Fukushima sind verheerend - der Weltuntergang ist damit jedoch nicht verbunden! Dies sollten sich vor allem die Deutschen mit ihrer "German Angst" vor Augen führen. Die Nuklearfrage droht die EU schon heute zu spalten. Länder wie Frankreich und Polen sind entschlossen, an der Atomenergie festzuhalten. Es wird nur zu fruchtlosem Streit führen, sollten sich die Deutschen als Sittenwächter aufspielen. Gefragt sind mehr denn je nüchterne Analysen und konsequentes politisches Handeln. Der Atomausstieg bleibt auch ohne Weltuntergangsfantasien das Gebot der Stunde. Aber machen wir uns nichts vor: Dies ist und bleibt ein Langzeitprojekt. Jede Wette, dass auch 50 Jahre nach Tschernobyl irgendwo in der Welt noch Kernkraftwerke am Netz sein werden.
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