Lausitzer Rundschau: Eine Gewalttat zu viel Zu den Bombenanschlägen beim Boston-Marathon
Cottbus (ots)
Erst am Morgen danach entfalten die Bilder aus Boston ihre volle Wirkung unter den Menschen in den USA. Da tauchen die ersten Fotos auf vom jüngsten Todesopfer - einem achtjährigen Jungen - und die Berichte vom grausamen Schicksal, das die Familie, die schwer verletzte Tochter und die Mutter erlitten haben. Zu diesem Schrecken und der Trauer gesellt sich die Unsicherheit darüber, wer wohl und mit welchen Motiven die Bomben gezündet haben mag. Dies alles trifft eine Nation, die sich in quälenden Debatten um wesentliche Fragen wie das Waffenrecht, die Einwanderung und die Schuldenberge befindet. Eine Nation, die sich nach den Kriegen in fernen Ländern und den tragischen Blutbädern zu Hause vor allem nach Frieden sehnt. Wird diese Sehnsucht die Reaktion auf die Bostoner Bomben bestimmen - was auch immer sich beweisen lassen wird über die Bombenleger und ihre Ziele? Es liegt ja eine zusätzliche Gefahr in den Bomben von Boston. Sie könnten das Gefühl der Hilflosigkeit verstärken. Menschen könnten sich schutzlos ausgeliefert sehen. Und sie könnten darauf ihrerseits und ganz im Sinne der Täter mit dem Wunsch nach Gegengewalt und drakonischen Maßnahmen reagieren. Die entscheidende Auseinandersetzung mit dem Terror von Boston findet also nicht in den Büros der fieberhaft arbeitenden Fahndungsbehörden statt. Sie vollzieht sich in den Köpfen der Bürger. So, wie es derzeit aussieht, werden die Bombenleger dabei nichts zu gewinnen haben. Für die Mehrzahl der Menschen in den USA ist dies vor allem eine sinnlose Gewalttat mehr und eine zu viel. Dass Politiker sie vor solchen Ereignissen schützen könnten, erwartet kaum noch jemand. Die Bomben haben vor allem eine Welle des Mitgefühls ausgelöst. Die Helfer, die ohne Zögern den Verletzten zu Hilfe eilten, stehen jetzt im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Sicher wird die Frage nach der Herkunft der Täter auch eine Rolle spielen. Und sicher wird auch die Frage beantwortet werden müssen, ob und wie solchen Taten begegnet werden kann. Aber die Antworten auf diese Fragen werden die Diskussion um die Ereignisse nicht bestimmen. Der Boston-Marathon ist der Ort, an dem Menschen über ihren Alltag hinaus wachsen und sich beweisen wollen, dass sie zu Außergewöhnlichem in der Lage sind. Auch deswegen war diese Terrortat genau dort die eine zu viel - sie wird nicht zu neuen kriegerischen Auseinandersetzungen und auch nicht zu weiteren Einschränkungen der Bürgerrechte führen. Es spricht alles dafür, dass die Menschen in den USA jetzt auf eine ganz andere Art reagieren: Wenn es einen jeden treffen kann, kann auch ein jeder seine helfende Hand reichen und sein Mitgefühl zeigen. Dies wäre, sollte es dabei bleiben, endlich die längst notwendige Antwort auf solche Herausforderungen grenzenloser Gewalt.
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