Lausitzer Rundschau: Zum Jubiläum der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
Cottbus (ots)
Als die Grünen im März ihren 30. Geburtstag als Bundestagsfraktion feierten, wirkten sie wie eine Partei, die auf dem Gipfel ihrer Möglichkeiten steht. Beim 150. Geburtstag der SPD an diesem Donnerstag wird kaum jemand diese Assoziation haben. Die Mitgliederzahl der deutschen Sozialdemokratie hat sich seit den glorreichen 1970er-Jahren halbiert, der Stimmenanteil auch. In den Ländern gelingt zwar dank der Koalitionen mit den Grünen - in einem Fall allerdings nur als Juniorpartner - noch die Machteroberung, im Bund aber schon seit acht Jahren nicht mehr. Und für die weltweite sozialistische Bewegung ist die deutsche Sozialdemokratie längst nicht mehr die bewunderte, Impuls gebende Kraft, die sie in den Weimarer Jahren und zu Zeiten Willy Brandts noch war. Die Partei hat eine große, stolze Geschichte, keine Frage. Das Bekenntnis zu Freiheit und Demokratie, zur sozialen Gerechtigkeit und zu Chancengleichheit, zur Gleichberechtigung und zur internationalen Solidarität - all das durchzieht die 150 Jahre, und zwar nahezu ungebrochen. Die SPD musste sich nie neu gründen oder neu erfinden, sie musste sich nie schämen. Außer vielleicht für die Zustimmung zu den Kriegskrediten 1914. Otto Wels' Rede im Reichstag, das Godesberger Programm, die Ostpolitik und der innere Reformaufbruch unter Willy Brandt sowie Gerhard Schröders Agenda 2010, das sind die großen Marksteine. Und doch hat die SPD viel an Faszination verloren. Ihre Bindekraft ist geringer als die der Union, was auch mit zwei historischen Fehlleistungen zu tun hat. Die SPD hat in den 1970er-Jahren, als sie die geistige und politische Hegemonie in der Gesellschaft erreicht hatte, eine neue Entwicklung verschlafen oder sogar abgewehrt: die Ökologie. So hat sie das Entstehen und Wachsen der Grünen begünstigt. Der zweite Fehler geschah nach der Wende, als sie die Aufnahme reformorientierter Mitglieder der ehemaligen SED ablehnte. Das führte mit der Gründung der PDS, später Linkspartei zum Schisma, zur Wiederholung der alten Spaltung der Arbeiterbewegung. Die durchaus immer noch vorhandene gesellschaftliche Hegemonie des linken Lagers kann sich seither politisch nicht mehr abbilden. Auch nach innen hin erodiert die Partei. Die Basis der SPD stammt weitgehend nur noch aus dem Milieu der Bildungsbürger: Lehrer, Beamte, Funktionäre des Sozialapparats. Und denkt in Kategorien der Umverteilung zu Gunsten der verarmten Schichten. Die Industriearbeiter, einst Stammwähler, stehen nicht mehr in ihrem Focus. Geschweige denn die Handwerker oder kleinen Unternehmer. Die Führung hingegen hat sehr wohl im Blick, dass nur verteilt werden kann, was zuvor auch erwirtschaftet wurde, und versucht, das Vertrauen auch der bürgerlichen Schichten zu gewinnen. Weil aber der Widerspruch zwischen Basis und Führung immer wieder offen ausbricht - zuletzt im Streit um die Rentenpolitik - bleiben diese Wählerschichten skeptisch. Und der SPD läuft die Zeit davon. Die Milieus differenzieren sich mit den Arbeits- und Lebensverhältnissen immer weiter aus. Immer schwieriger wird es, sie unter einem Programm zu versammeln. Gleichzeitig entstehen neue Artikulations- und Aktionsformen, die mit der traditionellen Vereinsmeierei der Parteien nur noch wenig zu tun haben. Den Sozialdemokraten aber fällt es noch schwerer als anderen, sich den neuen Lebenswirklichkeiten anzupassen. Denn die stolzen, traditionsreichen 150 Jahre machen auch etwas unbeweglich. Man kann die Entwicklung nicht voraussagen, doch ist der SPD zu raten, künftig die runden Parteijubiläen lieber schon alle 25 Jahre größer zu feiern. Sicher ist sicher.
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