Lausitzer Rundschau: Der NSU-Ausschuss hat seinen Abschlussbericht vorgelegt
Cottbus (ots)
Auch wenn der NSU-Untersuchungsausschuss gestern nach eineinhalb Jahren einen beeindruckenden Abschlussbericht vorgelegt hat, heißt das nicht, dass die Arbeit nun eingestellt werden kann. Das Gegenteil ist der Fall. So einzigartig die Mordserie und die Vielzahl der damit verbundenen Pannen aufseiten der Ermittlungsbehörden auch gewesen sind, so allgegenwärtig ist die rechte Gewalt in Deutschland. 2012 gab es laut Bundesinnenministerium 17600 politisch rechts motivierte Straftaten bundesweit, fast 50 am Tag. Tendenz steigend. Der Terror des NSU ist die extremste Form des braunen Treibens gewesen. Er muss aber unbedingt in Verbindung mit dem täglichen Ausmaß des Rechtsextremismus gesehen werden. Denn ohne ihn wären die Morde, Banküberfälle und Bombenanschläge der drei Täter nicht möglich gewesen. Rechtsterroristen werden nicht geboren, wie der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy richtig angemerkt hat. Sie werden dazu gemacht. Dafür gibt es in Deutschland einen Nährboden. Es ist also die Aufgabe des Staates und der Gesellschaft, sich nach Kräften gegen die Entwicklung zu stemmen. Zumal nach wie vor die Gefahr besteht, dass sich aus der alltäglichen Gewalt erneut irgendwo rechtsterroristische Strukturen bilden. Kaum einer hatte damit gerechnet, dass der Ausschuss so viele erschütternde Erkenntnisse ans Tageslicht bringen würde, gerade was das unglaubliche Versagen von Polizei, Verfassungsschutz und politisch Verantwortlichen angeht. Dafür gebührt den Mitgliedern ein großes Kompliment. Angesichts der Dimension der Taten war es wichtig, das Gremium nicht parteipolitisch zu instrumentalisieren. Darauf ist zum Glück verzichtet worden. Deshalb ist der nun vorgelegte Abschlussbericht auch mehr als nur die Aufarbeitung dessen, was passiert ist und wodurch es geschehen konnte. Das Papier mit seinen klugen Empfehlungen ist eine unverhohlene Aufforderung, die Funktionsfähigkeit der deutschen Sicherheitsbehörden gerade mit Blick auf den Rechtsextremismus endlich zu verbessern, wenn nicht sogar wiederherzustellen. Und das gesellschaftliche Bewusstsein hinsichtlich der Gefahren rechtsextremen Gedankenguts zu schärfen. Gerade jetzt, wo in einigen Kommunen bedrohlich vor Asylbewerber- und Flüchtlingsheimen protestiert wird, scheint dies besonders wichtig zu sein. Diese Aufgabe kommt nicht nur, aber auch auf die Politik zu. Der nächste Deutsche Bundestag hat die Pflicht, die Arbeit des Ausschusses fortzusetzen und den Abschlussbericht nicht einfach in der Schublade verschwinden zu lassen. Dazu gibt es genügend parlamentarische Möglichkeiten: von einer Enquete-Kommission über einen eigenen Ausschuss bis hin zu einem ans Parlament angegliederten Runden Tisch. Ein solches Gremium müsste dann die Aufgabe haben, die Entwicklung des Rechtsextremismus in Deutschland stetig zu beobachten, bei der Prävention Verbesserungen anzustoßen und die Förderung von zivilgesellschaftlichem Engagement zu forcieren. Ähnlich dem Petitionsausschuss sollten auch Bürger, Organisationen, vor allem Opfer der Rechten die Möglichkeit haben, dieses Gremium als eine Art Anlaufstelle zu nutzen. So würde der Rechtsstaat tatsächlich zeigen, dass er fähig ist, aus den Fehlern im Umgang mit den NSU-Taten zu lernen. Nach der Wahl ist der neue Bundestagspräsident gefordert.
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