Lausitzer Rundschau: Sagen Sie jetzt nichts Zur NSA-Abhöraffäre gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel
Cottbus (ots)
Diese Woche kursierte ein sarkastischer Witz in Berliner Regierungskreisen. Francois Hollande ruft, empört über die Massenausspähung seiner Landsleute durch den US-Geheimdienst NSA, bei Präsident Obama an. Der beruhigt den Franzosen: "Sagen Sie jetzt nichts, Monsieur le président. Ich weiß schon, worüber Sie mit mir reden wollen." Schneller als erwartet, ist aus dem Witz auch deutsche Realität geworden. Dass die Amerikaner beim Abhören von Angela Merkels Handy erwischt worden sind, beschämt zunächst einmal sie selbst. Es zeigt ihren Kontrollwahn, der alle Grenzen und nun auch Freundschaften sprengt. Präsident Obama, der die Welt besser machen wollte, steht immer mehr als unaufrichtiger Pharisäer da, nicht nur wegen der Drohnen-Angriffe in Pakistan. Dieser Skandal beschämt aber auch die deutsche Politik, auch Merkel selbst. Denn im Sommer, als es "nur" um das Abhören der Kommunikation normaler deutscher Bürger ging, wiegelten sie und ihre Minister ab. Von einer unterschiedlichen Kultur des Datenschutzes sprach die Kanzlerin verständnisvoll. Der Innenminister konnte überhaupt keinen Skandal erkennen, und der Kanzleramtsminister erklärte ihn kurz vor der Wahl hochoffiziell für beendet. Nun kehrt das Thema mit Macht zurück und verlangt nach Konsequenzen, auch im Koalitionsvertrag. Ein Aussetzen der Verhandlungen um ein Freihandelsabkommen ist das Mindeste, um von den USA für die Zukunft verbindliche, überprüfbare Zusagen zu erhalten, dass sie ihre Praktiken gegenüber allen Europäern einstellen. Ob sie Merkel, Müller, Meunier oder Miller heißen. Und zweitens muss nun viel entschlossener eine deutsche und europäische IT-Industrie- und Sicherheitsstrategie gestartet werden mit dem Ziel, langfristig von den USA in diesem zentralen Sektor unabhängiger zu werden. Ähnlich wie schon in der Weltraumfahrt oder beim Flugzeugbau. Noch einen dritten Aspekt gibt es, der für die Kanzlerin womöglich besonders heikel ist: Ohne Edward Snowden wüssten weder sie noch irgendwer in Europa, was die amerikanischen Geheimdienste da seit Jahren treiben. Snowden hat mit seinen Enthüllungen im Grunde auch Merkels Freiheit geschützt. Deutschland sollte deshalb ernsthaft überlegen, ihm eine sichere Zuflucht zu gewähren, damit er nicht in Russland bleiben und sich nicht der Verfolgung der amerikanischen Justiz aussetzen muss. Das bisherige Argument, man wolle die USA nicht vor den Kopf stoßen und sei dem wichtigsten Verbündeten gegenüber in dieser Sache zur Loyalität verpflichtet, zieht jetzt ja wohl nicht mehr.
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