Lausitzer Rundschau: Kanzleramt der Lobbyisten Pofalla und die Folgen - dürfen Politiker in die Wirtschaft gehen?
Cottbus (ots)
Auch für Politiker gilt die grundgesetzlich garantierte Freiheit der Berufswahl. Und Unternehmen dürfen einstellen, wen sie wollen. Die Spielräume für Gesetzesverschärfungen, wie sie im Zusammenhang mit dem Fall Ronald Pofalla diskutiert werden, sind tatsächlich also wohl eng. Außerdem werden in der Debatte unterschiedliche Fälle miteinander vermischt. Wenn ein Unternehmen wie Bilfinger sein operatives Geschäft einem ehemaligen Ministerpräsidenten wie Roland Koch anvertraut, dann, weil es an dessen Managementfähigkeiten glaubt, nicht wegen Vetternwirtschaft. Gleiches gilt für Ulrich Wilhelm als Fernsehintendant und Jens Weidmann als Präsident der Bundesbank. Trotzdem gibt es natürlich auch hier den Verdacht einer Verquickung. Regierungen treffen Entscheidungen, ihre Mitglieder können Firmen direkt und vor allem indirekt begünstigen. Haben die Betreffenden schon zu Amtszeiten auf den neuen, meist viel besser dotierten Job geschielt? Die Vermischung zwischen Amtspflichten und wirtschaftlichen Interessen ist besonders nahe liegend, wenn es sich um den Wechsel eines Regierungsmitgliedes in eine reine Lobbyfunktion handelt, und wenn er direkt aus dem Amt heraus erfolgt. Das betraf das Engagement von Altkanzler Gerhard Schröder bei Gazprom. Das betrifft aktuell Angela Merkel. Schon drei ihrer Staatsminister - Hildegard Müller als oberste Lobbyistin der Energiewirtschaft, Eckart von Klaeden für Daimler und jetzt Ronald Pofalla für die Bahn - sind diesen Weg gegangen oder haben es vor. Der Hinweis des Kanzleramtes, Pofalla sei ja im Dezember aus der Regierung ausgeschieden, man habe mit ihm quasi nichts mehr zu tun, ist allzu tricky. Ist die Pforte des Kanzleramtes in Wirklichkeit eine Drehtür für Lobbyisten? Bildet sich da eine vernetzte Clanstruktur um die Regierungschefin, in der man sich kennt, schätzt und nicht vergisst, wenn es darauf ankommt? Das ist der böse Schein. Es gibt nur einen legalen Ausweg: die Karenzzeit. Also das Verbot für Regierungsmitglieder vor Ablauf einer Frist von zum Beispiel zwei Jahren nach dem Ausscheiden eine Tätigkeit in einem Unternehmen aufzunehmen, mit dem man direkt oder indirekt befasst war. Eine beim Bundespräsidenten angesiedelte Kommission sollte in jedem Einzelfall entscheiden, ob Gründe für eine Ausnahme vorliegen - was bei Roland Koch sicher der Fall gewesen wäre. Aber von Klaeden hätte dann gleich nach seiner Vertragsunterzeichnung das Kanzleramt verlassen und warten müssen, ebenso müsste es nun Pofalla. Da der Wert politischer Kontakte schnell verfällt, würde eine solche Karenzzeit auch dafür sorgen, dass derartige Wechsel künftig seltener werden. Von der Union und ihrer Chefin Angela Merkel darf man angesichts der Vorgeschichte keine Einsicht erwarten, wohl aber von der SPD. Sie hat die Karenzzeit in ihrem Wahlprogramm versprochen, sie hat die Ankündigung einer Regelung im Koalitionsvertrag durchgesetzt. Nun sollte sie ernst machen. Sigmar Gabriels Ministeriumsvertreter hat im Aufsichtsrat der Bahn die Möglichkeit, der Personalie Pofalla so lange zu widersprechen, bis die Sache befriedigend geregelt ist. Oder stecken die Sozialdemokraten schon mit drin im Clan?
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