Lausitzer Rundschau: Lotto nur für Reiche Bundesverfassungsgericht kippt Steuervorteile für Firmenerben
Cottbus (ots)
Das gestrige Verfassungsgerichtsurteil wirft erneut ein Schlaglicht auf eine Ungerechtigkeit ersten Ranges: die Ausgestaltung der Erbschaftsteuer. Wenn von Werten im Umfang von rund 240 Milliarden Euro, die jährlich in Deutschland an die nächste Generation weitergegeben werden, der Staat nur rund 4,6 Milliarden Steuern bekommt, also weniger als zwei Prozent, dann ist diese Steuer falsch konstruiert. Bei den Betriebsvermögen hat Karlsruhe dies konkret bemängelt. Zwar ist es völlig richtig, dass das Firmenerbe nicht besteuert wird, wenn und solange die Firma weiterläuft. Nur müssen diese Ausnahmen nicht so umfassend und so missbrauchsanfällig sein wie derzeit. Da wurde, wie Karlsruhe gestern festgestellt hat, allzu oft gemogelt bei der Lohnsumme, allzu wenig kontrolliert. Steuerehrlichkeit muss für alle gelten, sonst wird sie von keinem akzeptiert. Das Urteil ist eine Ohrfeige für die letzte Große Koalition. Es ist unverständlich, dass die großen Volksparteien CDU und SPD so gehandelt haben und darüber hinaus eine generelle Debatte über die Erbschaftsteuer noch immer regelrecht tabuisieren. In ihrem Minderheitenvotum haben es sogar drei Verfassungsrichter auf den Punkt gebracht: Die Anhäufung immer größerer Vermögen bei immer weniger Menschen gepaart mit einer niedrigen Erbschaftsteuer vertieft die soziale Spaltung der Gesellschaft. Die Zahl der Kinder, denen nicht nur glänzende Bildungswege in die Wiege gelegt werden, sondern gleich auch noch Eigentumswohnungen, Aktienpakete und Firmenanteile, wächst. Sie haben es schon geschafft, bevor sie begonnen haben. Gerade eine Leistungsgesellschaft wie Deutschland sollte rationaler vorgehen. Sie sollte leistungsloses Einkommen stärker und Leistungseinkommen geringer besteuern. Dann müsste zum Beispiel die Zinsabgeltungsteuer angehoben werden. Denn auch Zins- und Aktienerträge sind Einkommen ohne eigene Leistung. Und ganz sicher müsste die Erbschaftsteuer jenseits der Freibeträge, die das Haus und mittlere Vermögen schützen, auf den gleichen Satz wie die Abgeltungsteuer steigen. Denn es geht um den gleichen Sachverhalt. Es bleibt immer noch ein riesiger, steuerfreier Rest. Im Gegenzug könnte die Einkommensteuer, die die Aktiven der Gesellschaft zahlen, kräftig gesenkt werden. Denn insgesamt braucht der Staat nicht mehr Geld. Eine solche Umverteilung würde wirtschaftliche Dynamik freisetzen. Das letzte Hemd hat keine Taschen. Gerade die reichen Verstorbenen haben von der Gesellschaft profitiert, vom Bildungs- und Sozialsystem, von der inneren Sicherheit. Die Gemeinschaft darf von ihrem Erbe mehr als zwei Prozent erwarten, damit dieses System weitergehen kann. Die These, das Erbe sei bereits besteuert und dürfe deshalb beim Übergang auf die Nachfahren nicht ein zweites Mal herangezogen werden, ist eine Verdrehung. Denn für den, der das Erbe empfängt, ist es unversteuertes Einkommen, das er völlig ohne eigene Leistung und ohne eigenes Risiko erhält. So wie einen Lottogewinn. Es wird zum gesellschaftlichen Problem, wenn über das Verschenken und Vererben immer größere Anteile des Volksvermögens zu einem "Lottogewinn" umdeklariert werden und sich der Finanzierung des Gemeinwesens entziehen. Und wenn nur eine bestimmte Schicht gewinnen kann, während die andere arbeitet und Geld abdrückt. Die Erbschaftsteuer in Deutschland ist derzeit Lotto nur für Reiche.
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