Lausitzer Rundschau: Gregor Gysi kandidiert nicht mehr für den Linken-Fraktionsvorsitz Ankündigung eines Absprungs
Cottbus (ots)
Insgesamt 20 Jahre lang ist Gregor Gysi nun schon die linke Führungsfigur im Bundestag. Da mag es nicht so ungewöhnlich sein, wenn er nun bald Lebewohl sagt. Zumal Gysi auch nicht mehr der Jüngste ist. Aber mit dem Lebenswohl der Linken ist es eine andere Sache. Das Haus, das der scheidende Fraktionschef im Herbst hinterlassen wird, ist schlecht bestellt. Und dies wiederum liegt zuallererst an ihm selbst. Der begnadete Rhetoriker ist zweifellos der Star in seiner Partei. Sie hat keinen Öffentlichkeitswirksameren. Ja, man darf sogar getrost behaupten, ohne Gysi gäbe es die Linke nicht. Er hat die Vorläufertruppe namens SED/PDS vor dem Untergang bewahrt. Ihm ist es maßgeblich zu verdanken, dass die Truppe aus der Schmuddel-Ecke herausfand und zum festen Bestandteil der etablierten Politik in Deutschland geworden ist. Die Linke sonnt sich in Gysi und er in ihr. Doch nun lauern zwei große Probleme. Das erste: Es gibt kein geordnetes Verfahren für seine Nachfolge. Gysis Personalpolitik gipfelte stets in der Verhinderung potenzieller Bewerber statt im Aufbau geeigneter Kandidaten. Und das zweite: Nach wie vor ist unklar, was die Partei im Bund strategisch eigentlich will. Weiter den proletarischen Himmel auf Erden versprechen, mit Sabbatjahren und kollektiver Teilzeitarbeit zu Vollzeitlöhnen wie jetzt beim Parteitag in Bielefeld? Oder besser kleine, aber reale Fortschritte durch eine Koalition mit SPD und Grünen erreichen? Letzteres ist zweifellos so etwas wie das politische Vermächtnis von Gysi. Dass er nicht mehr länger in der ersten Reihe der Linken aktiv sein will, lässt allerdings auch seine persönliche Einschätzung zur Verwirklichung eben jener Option erahnen: Zumindest für das Jahr 2017 ist der rot-rot-grüne Traum aus seiner Sicht ausgeträumt. Gysi hat auch vor den parteiinternen Grabenkämpfen resigniert. Die Linkspartei könnte einem rot-rot-grünen Bündnis allerdings auch nicht näher kommen, sollten die beiden Protagonisten des Fundi- und Reformer-Flügels, Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, die Fraktionsspitze im Doppelpack übernehmen. Der eine macht einen Schritt vor, die andere einen zurück. Als politische Alphatiere stehen sich beide eher im Weg. In Bielefeld hat Wagenknecht erneut klar gestellt, dass Kompromisse mit der Gabriel-SPD für sie nicht in Betracht kommen. Alles oder nichts - das hat Tradition bei der Linken. Viele wollen lieber Recht haben als mitgestalten. Gysi vermochte diese innerparteilichen Widersprüche von der Kommandobrücke aus bisher mit Charme und Eloquenz zu überspielen. Schon deshalb wird er der Linken schmerzlich fehlen.
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