Lausitzer Rundschau: Gesetze von vorgestern Zur Diskussion über die Straftatbestände Landes- und Geheimnisverrat
Cottbus (ots)
Wir sind nicht mehr im Krieg, nicht mal im Kalten. Und trotzdem wollte der Generalbundesanwalt gegen harmlose Blogger Ermittlungen einleiten, die zweitklassige Papiere des (zweitklassigen) Verfassungsschutzes veröffentlicht hatten. Und zwar wegen der "Preisgabe eines Staatsgeheimnisses" mit der "Gefahr eines besonders schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland". Das ist Kokolores, auch wenn das Verfahren vorerst wieder gestoppt wurde. Der Straftatbestand des Landesverrates ist, so wie er im Gesetz steht, von gestern, ja von vorgestern. Auch der des Geheimnisverrates. Im Fall des Abhörens des Kanzlerin-Handys durch die amerikanische NSA hat die "Weitergabe von Staatsgeheimnissen an eine fremde Macht" Karlsruhe übrigens nicht interessiert. Der Paragraf ist ein Willkürinstrument. Nach innen gegen jeden in den Behörden, der es wagt, über Missstände zu plaudern. Nach außen gegen jeden, der diese Informationen veröffentlicht. Edward Snowden wäre auch in Deutschland ein Fall für die Justiz. Da soll man sich hierzulande gar nicht moralisch überlegen fühlen. Auch nicht gegenüber Wladimir Putin, der Meldungen über getötete russische Soldaten in der Ostukraine zum Staatsgeheimnis erklärt hat, um den Einsatz zu kaschieren. Nicht zufällig trafen die Ermittlungen jetzt ein elektronisches Medium und nicht, wie noch in der "Spiegel-Affäre" von 1962, ein klassisches. Weil Informationen aus den Computern leicht kopiert, weitergeleitet und veröffentlicht werden können, vervielfachen sich die Möglichkeiten der Enthüller. Wikileaks, Snowden, jetzt die deutsche Plattform netzpolitik.org - es ist ein regelrechtes Spiel geworden. Manchmal verfolgen die "Täter" hehre Ziele. Sie wollen Missstände aufdecken. Manchmal ist auch die Netz-Ideologie von der totalen Transparenz das Motiv. Mitunter auch nur Geltungssucht. Man zeigt seine Jagd-Trophäen. Die uralten Kriegs-Paragrafen mit ihren harten Strafen jedenfalls passen nicht mehr in diese Welt4.0. Wenn es dafür eines Beweises bedurft hätte, dann hat ihn Generalbundesanwalt Range mit seinem Gaga-Verfahren ungewollt geliefert. Der Gesetzgeber sollte nun allerdings nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Spionage für feindliche Mächte muss ein Straftatbestand bleiben, auch Wirtschaftsspionage. Und ebenso das Verraten von wirklich einsatzrelevanten Geheimnissen der Bundeswehr oder der Sicherheitsorgane. Auf der anderen Seite aber muss die Intention der angeblichen Verräter stärker berücksichtigt werden. Whistleblower, also Skandalaufdecker, sollten im Regelfall unbehelligt bleiben. Dafür sollte stärker berücksichtigt werden, welchen Geheimnisgehalt eine Information überhaupt hat. Und wie in den USA muss die Presse, dazu zählen auch Blogger, geschützt sein. Denn Pressefreiheit ist entscheidend für die Demokratie, und zwar auch dann, wenn sie dem Staat nicht angenehm ist. Gerade dann.
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