Lausitzer Rundschau: Worte und Taten Was der künftige Bundespräsident leisten muss
Cottbus (ots)
Wer immer auch nächstes Jahr im Februar Bundespräsident werden wird, er wird es schwerer haben als viele seiner Amtsvorgänger. Die Gesellschaft ist verunsichert und im Umbruch, Deutschland driftet nach rechts, die Spalter haben in der öffentlichen Debatte die Oberhand. Und der Ton ist nicht nur im politischen Diskurs schärfer und rauer geworden. Dem muss der neue Bundespräsident mehr denn je Worte und Taten entgegensetzen. Er muss integrieren, ausgleichen, überwinden. Er braucht keine Vision, muss auch kein Übermensch, Supermann oder Superfrau sein. Aber sie oder er braucht ein Ziel - und das kann nach Lage der Dinge nur sein, den Zusammenhalt in Deutschland wieder ins Lot zu bringen. Ist das zu viel verlangt von einer Person in einem Amt, welches vor allem von der Macht des Wortes lebt? Nein. Johannes Rau, der achte Bundespräsident, hatte dafür die schlichte wie kluge Formel "Versöhnen statt spalten" erfunden. Nun wird die oder der Neue im Schloss Bellevue von den Parteien bestimmt werden. Die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung im kommenden Jahr werden nicht eindeutig sein. Das erhöht den Druck auf alle Lager, in den nächsten Wochen einen Kandidaten zu finden, mit dem sich eine realistische Mehrheit organisieren lässt. Wer es böse meint, nennt dies dann Gefeilsche um das höchste Amt im Staate. Doch im besten Falle führt genau das zu einem guten Kandidaten - so, wie es bei Joachim Gauck vor vier Jahren der Fall gewesen ist. Oder sogar zu mehreren veritablen Anwärtern. Insofern täten die Parteien auch gut daran, erneut über ihren eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Das heißt nicht, dass das Parteibuch keine Rolle spielen darf. Schließlich geht es auch um Macht, um bereits bestehende und um künftige. Die Signalwirkung einer Präsidentenwahl für das koalitionspolitische Gefüge ist unbestritten, auch wenn ihr angesichts des zunehmend unberechenbar werdenden Wählerwillens nicht mehr die Bedeutung früherer Zeiten zukommt. Die Parteizugehörigkeit sollte aber nicht das zentrale Kriterium für die Kandidatenauswahl sein. Bei Gaucks Vorgänger Christian Wulff zum Beispiel war das der Fall. Mit dem bekannten, katastrophalen Ergebnis. Noch ist Joachim Gaucks Zeit in Schloss Bellevue freilich nicht zu Ende. Ein Bundespräsident wird nicht automatisch zur lahmen Ente, nur weil feststeht, dass er nicht noch einmal für das Amt antreten wird. Anders, als es bei einem Regierungschef der Fall ist. Man kann nur hoffen, dass Joachim Gauck noch einiges zu sagen hat. Seine Botschaften von Freiheit, Solidarität und bürgerlichem Engagement haben nämlich an Aktualität und Dringlichkeit gewonnen. Hier hat Gauck bislang wichtige Akzente gesetzt, auf denen seine Nachfolgerin oder sein Nachfolger aufbauen kann. Gut gemacht, Herr Präsident.
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