Lausitzer Rundschau: Aus dem Auge, aus dem Sinn Konsequenzen aus dem Fall Amri
Cottbus (ots)
Je mehr über den mutmaßlichen Attentäter Amri bekannt wird, umso sachlicher lässt sich über die Konsequenzen dieses Falles diskutieren. Erstens: Die Toten von Berlin sind nicht "Merkels Tote", der Verdächtige ist nicht mit der großen Flüchtlingswelle über den Balkan eingereist und war hier auch nicht willkommen. Amri ist vielmehr 2011 von Tunesien nach Italien gelangt. Er ist einer von jenen Glückssuchern aus Nordafrika, die sich illegal in Europa aufhalten und oft in der Kleinkriminalität landen. In Italien war er schon in Haft, sein Asylantrag wurde abgelehnt. Dass der Mann trotzdem nach Deutschland kam, hat mit dem Zusammenbruch des Dublin-Systems im Jahr 2015 und mangelnder Kooperation der europäischen Staaten zu tun. Ob es auch Probleme beim Datenabgleich zwischen Deutschland und Italien gab, muss noch geklärt werden. Zweitens: Das Asylverfahren in Deutschland hat funktioniert. Amris falsche Identität als Ägypter flog schnell auf, sein Antrag wurde zügig bearbeitet und abgelehnt. Eine Einstufung Tunesiens als sicheres Herkunftsland hätte das Verfahren allerdings womöglich ab dem Zeitpunkt beschleunigt, als man wusste, woher der Mann wirklich kam. Die Grünen brauchen nach dem Anschlag von Berlin schon bessere Argumente als bisher, um das im Bundesrat weiter zu blockieren. Auch in Deutschland war die Abschiebung Amris verfügt worden. Nur konnte sie wie zuvor schon in Italien nicht vollzogen werden, weil Tunesien sich zunächst weigerte, ihm Ersatzpapiere auszustellen. Die kamen erst nach dem Anschlag. Allerdings: Amri war als Gefährder erkannt. Genau für solche Leute, die zudem zur Ausreise aufgefordert sind, fordern CSU und CDU eine Ausweitung der Gründe für eine Abschiebehaft sowie deren Verlängerung. Und sie haben damit recht. Das darf die SPD nicht länger blockieren. Drittens: Die Sicherheitsbehörden haben die Gefahr, die von Amri ausging, frühzeitig erkannt. Wie sie schon viele Anschläge frühzeitig erkannt und verhindert haben. Es hat ihnen technisch und rechtlich an nichts gefehlt. Alles, was nach den Terroranschlägen von Paris geschaffen wurde, hat funktioniert. Es gab Telefonüberwachung, es gab V-Leute, die ihn beobachteten, das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum hat über ihn gesprochen. Wegen dieses Falles muss die Sicherheitspolitik Deutschlands wahrlich nicht auf den Kopf gestellt werden; die CSU sollte zur Sachlichkeit zurückkehren. Was geändert werden muss, ist allerdings das Hin- und Herschieben der Verantwortung zwischen Ländern und Behörden. Und die behäbige Routine, die im Fall Amri eine Rolle gespielt zu haben scheint, mindestens in Berlin, muss endlich aufhören. Manche haben den Schuss offenbar noch nicht gehört. Als eine Observation im Herbst keine unmittelbare Gefahr mehr ergab, nahm man es hin, dass der Mann einfach vom Radarschirm verschwand. Keiner fühlte sich noch verantwortlich. Aus dem Auge, aus dem Sinn. Bis letzten Montag.
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