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Lausitzer Rundschau: Die Moschee im Dorf lassen Zu Erdogan und den Deutsch-Türken

Cottbus (ots)

Viele in Deutschland, auch viele Migranten, fragen sich: Wie kann es sein, dass Deutsch-Türken den Weg der Türkei in ein präsidial-diktatorisches System unterstützt haben, obwohl sie hierzulande die Vorzüge von Freiheit und demokratischen Strukturen genießen? Die Antwort scheint einfach: mangelnde Integration ist der Grund. Doch es ist wohl komplizierter. Zum einen dürfte die hitzige und vielfach einseitige Debatte, die in Deutschland über Erdogans Pläne geführt wurde, sowie die aufstachelnden Attacken des Präsidenten etliche, vor allem junge Deutsch-Türken, dazu verleitet haben, es der Mehrheitsgesellschaft mal zu zeigen. Die Gelegenheit dafür war günstig. Ein ganz normales Protestwahlverhalten also. Trotzdem wurde sie nur relativ zurückhaltend genutzt. Denn schaut man auf die nackten Zahlen der Wahlanalysten, so ist der Ausgang des Referendums in Deutschland in Wahrheit ein Debakel für Erdogan: Nur die Hälfte der Menschen mit türkischen Wurzeln war überhaupt wahlberechtigt, davon haben wiederum nur die Hälfte ihre Stimme abgegeben. 63 Prozent votierten dann für das Referendum. Das macht laut Experten lediglich 15 Prozent Unterstützung für Erdogans Präsidial-Pläne unter allen türkischstämmigen Migranten in Deutschland aus. Also gemach. Man sollte die Moschee im Dorf lassen und jetzt nicht so tun, als ob die Deutsch-Türken ein Heer der Undankbaren und Unzufriedenen sind und die hiesige Gesellschaft fortan von Erdogan-Anhängern unterwandert wird. Allerdings waren Erdogans Leute im Wahlkampf ohne Zweifel stärker präsent. Einige haben auch mit kriminellen Mitteln gearbeitet, die noch ein Nachspiel haben müssen. Und nach dem Referendum waren sie im Feiern des Wahlausgangs besonders laut. Nicht mehr - und nicht weniger. Gleichwohl darf man mit diesen Erklärungen nicht einfach zur Tagesordnung zurückkehren. Es ist zweifellos ein Fehler deutscher Politik gewesen, dass man es Erdogan hat durchgehen lassen, hierzulande sein eigenes politisches Netzwerk aufzubauen. Ohne politisch und rechtlich dagegenzuhalten. Und wenn doch, dann viel zu spät. Man hat ihn und seine Getreuen einfach gewähren lassen. Das hat Erdogans Anhänger nur ermuntert. Darüber hinaus darf man nicht vergessen, dass insbesondere die Türken eine extrem enge Verbundenheit zur eigenen Kultur, zur Sprache und zu ihrem Heimatland oder ihren Wurzeln haben. Auch in der zweiten und dritten Generation noch. Zugleich haben diese Menschen in Deutschland die größte Erfahrung mit Ausgrenzung - nicht nur mit einer selbst auferlegten. Das alles dürfte bei der Wahlentscheidung mancher Deutsch-Türken eine Rolle gespielt haben. Deswegen ist die Botschaft des Referendums auch die: Beide Seiten müssen in Deutschland mehr für gegenseitiges Verständnis tun. Das geht nur über einen breiten Dialog. Was wiederum in der derzeit aufgeheizten Stimmung und angesichts des angespannten deutsch-türkischen Verhältnisses schwierig genug ist.

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