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Lausitzer Rundschau: Zu Reformgesetze/Kanzlermehrheit: Am Anfang des Weges

Cottbus (ots)

Die Lausitzer Rundschau, Cottbus, zu
Reformgesetze/Kanzlermehrheit:
Entscheidend ist, was hinten rauskommt. So pflegte Altkanzler
Helmut Kohl die Dinge zu sehen. Gemessen an jener Weisheit war der
17. Oktober 2003 für seinen Nachfolger ein höchst erfolgreicher Tag.
Entgegen allen zwischenzeitlichen Befürchtungen hat sich die SPD im
Bundestag nicht als Kanzlerabwahlverein erwiesen. Bei den heiß
umstrittenen Kapiteln der Agenda 2010 - Hartz III und IV -
verschafften die rot-grünen Abgeordneten Gerhard Schröder im
Gegenteil eine Mehrheit, wie sie strahlender kaum sein könnte.
Mochten seine Rücktrittsdrohungen als Zeichen der Schwäche gelten.
Ihren disziplinieren Zweck haben sie nicht verfehlt. Dabei weiß der
Regierungschef natürlich auch, dass die Zähmung seiner zweifelnden
Genossen keine Garantie für den Fortbestand der Koalition bis zum
Wahljahr 2006 ist. Der Freitag markiert nur den Beginn eines langen
steinigen Weges. Zurzeit wirkt das kräftezehrende Reformschauspiel
wie ein hektischer Feuerwehreinsatz. Es brennt an allen Ecken und
Enden. Bund, Länder und Kommunen klagen über riesige Haushaltslöcher.
Die Staatsverschuldung treibt ins Uferlose. Und die Sozialsysteme
drohen unter den steigenden Belastungen zusammen- zubrechen. Am
Sonntag kommt die Regierung zur nächsten Krisensitzung zusammen, um
das Flächenfeuer in der Rentenkasse zu löschen. Nach den Arbeitslosen
müssen dann die Rentner mit harten Einschnitten rechnen. Auch die
Arbeitnehmer bleiben nicht verschont. Denn ein höherer Rentenbeitrag
erscheint unvermeidlich. Bei immer mehr Bürgern mag sich deshalb das
Gefühl einstellen, nur noch Melkkuh der Nation zu sein. Die Stimmung
im Land ist dann auch Schröders größter Feind. Nicht die Opposition.
Mit ihrem Verwirrspiel beim Vorziehen der Steuerreform arbeiten die
Merkels und Stoibers der Koalition sogar rhetorisch in die Hände.
Seht her, wir wissen, was wir wollen, die nicht. Das Herzog-Konzept
gibt ebenfalls ein gutes Feindbild ab. Wenn der Pförtner und sein
Chef den gleichen Betrag zur Krankenversicherung leisten sollen, dann
braucht es keine komplizierte Erklärung, um das vermeintlich
unsoziale Tun der Union zu geißeln. Entgegen ihren eigenen
Ankündigungen werden CDU und CSU auch die Arbeitsmarktgesetze der
Regierung nicht über den Haufen werfen. Die Opposition stünde dann
nämlich sofort in der Ecke des Blockierers. Außerdem unterscheiden
sich ihre Vorstellungen zur Senkung der Beschäftigungschwelle nicht
so fundamental vom Koalitionskonzept, wie es in Fensterreden den
Anschein hat. Gleichwohl dürfte der Bundesrat noch einige Zumutungen
in die Gesetze hinein verhandeln. Eine eigene rot-grüne Mehrheit bei
Wiedervorlage im Bundestag wird damit erneut zur Zitterpartie.
Trotzdem brauchen die Gesetze nicht zu scheitern, denn wie bei der
Gesundheitsreform müsste auch die Union mit Ja votieren. Die
eigentliche Bewährung ist freilich der Praxistest. Der Bürger wird
die mühsam ausgehandelten Belastungen erst 2004 zu spüren bekommen.
Ist auch dann noch keine Entspannung in der Wirtschaft und auf dem
Arbeitsmarkt in Sicht, wird es für den Kanzler richtig eng. Allein
sechs Landtagswahlen gehen in den kommenden beiden Jahren über die
Bühne, darunter in Nordrhein-Westfalen. Fällt auch diese Bastion an
die Union, wäre es mit Rot-Grün in Berlin wohl vorbei. Gerhard
Schröder ist noch längst nicht über den Berg.
ots-Originaltext: Lausitzer Rundschau

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