Lausitzer Rundschau: Die deutsche Politik zum Jahreswechsel
Cottbus (ots)
Man kann bei sehr wohlwollender Betrachtung das vergangene Jahr auch als Erfolgsstory der deutschen Politik verkaufen. Immerhin fing es ja mit den erschreckenden Resultaten eines Kassensturzes an. Deutschlands sozialen Sicherungssystemen drohte die Zahlungsunfähigkeit. Was dann in dem vor Weihnachten hastig geschürten Gesetzespaket vorläufig endete, war eine Art Insolvenzverwaltung als Politikersatz. Zur Rettung des Ganzen wurde Vieles abgeschrieben an Ansprüchen, die sich die Menschen erworben hatten durch jahrzehntelange Zahlungen in die Renten- und Arbeitslosenversicherung. Nach vollmundigen Versprechungen und langer Untätigkeit fügte sich die rot-grüne Koalition in das Notwendige. Der Kanzler findet inzwischen Gefallen an dieser Variante, Verantwortung zu übernehmen. Es wird sich, so hofft er, schon keiner daran erinnern irgendwann, dass er die Pleite saniert, die er selbst mitverursacht hat. Also kündigt er uns weitere Kürzungen an, die wieder als Reformgeschenke verpackt werden. Es wird, selbst bei guten Wirtschaftstaten weitergehen mit den Belastungen. Die Opposition wird, wo nötig, wieder dabei sein. Und weder die Gerechtigkeit noch die ökonomische Vernunft werden dabei Leitschnur sein. Die Löcher werden dort gestopft, wo sie gerade am größten erscheinen. So gutgläubig, wie der Wähler 2002 darauf vertraute, dass Sozialdemokraten auf den Geldbeutel des kleinen Mannes aufpassen, so gnadenlos wird er in den nächsten Monaten Schröder und die SPD bestrafen. Auch das ist in gewisser Weise ungerecht, denn die Union hat, das zeigt die Gesundheitsreform, ihren Anteil an den zusammengeschusterten Kompromissen. Es fehlt immer mehr an Vertrauen, sagen die Meinungsforscher. Dabei ist doch einigermaßen Verlass auf die deutsche Politik. Sie sorgt unter Ächzen und Stöhnen dafür, dass wir nicht vollends vor einem Scherbenhaufen stehen. Wer mehr erwartet, der muss sich allerdings fragen lassen, ob er selbst auch zu mehr bereit ist. Immer mehr sind ohne Zweifel inzwischen an den Grenzen des Zumutbaren, was ein menschenwürdiges Leben betrifft. Wenn im deutschen Streichkonzert aber derjenige am ehesten gehört wird, der die größten Privilegien zu verlieren hat, dann haben am Ende doch alle verloren. Aber zu diesen Privilegien zählt eben nicht nur das Vorstandsgehalt oder der Dienstwagen. Auch die staatliche Prämie für den Hausbau oder die immer noch satte Kilometerpauschale sind ja keine Selbstverständlichkeit. Wohin die Reise am Ende geht, das bestimmt nicht der Kanzler allein oder im Verbund mit seiner Konkurrentin, die ihn beerben will. Wozu wir alle bereit sind, das zählt.
ots-Originaltext: Lausitzer Rundschau
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