Lausitzer Rundschau: Gefangenenaustausch
Cottbus (ots)
Israel zahlte erneut einen zu hohen Preis. Denn nun ist die Hisbollah auch unter den Palästinensern eine Macht: Der vom deutschen Unterhändler Ernst Uhrlau ausgehandelte Gefangenen- und Leichenaustausch dürfte weit reichende, negative Konsequenzen haben. Uhrlau hat gute Arbeit geleistet, doch seine Mission ist noch lange nicht abgeschlossen und könnte gar zum stetigen Wiederholungsfall verkommen. Israels Ministerpräsident Ariel Scharon und der Generalsekretär der radikal-schiitischen Hisbollah Scheich Hassan Nasrallah haben nämlich deutlich voneinander abweichende Meinungen über das weitere Vorgehen geäußert. Für Scharon handelt es sich beim gestern erfolgten Austausch um eine abgeschlossene Angelegenheit. Nasrallah wiederum wertet die Austauschaktion als erste Etappe von mehreren. Die palästinensische Führung wurde im Rahmen der Verhandlungen über den Austausch nicht ein einziges Mal konsultiert - obwohl es sich bei der großen Mehrheit der über 400 von Israel freigelassenden Gefangenen und Häftlinge um Palästinenser handelt, welche nun in die besetzten oder autonomen palästinensischen Gebiete zurückgekehrt sind. Arafat und Co. müssen gute Miene zum Spiel machen, das bei großen Teilen ihrer Bevölkerung natürlich beliebt ist, ihnen aber etliche Sorgen bereiten wird. Die nun freigelassenen Palästinenser sind keine großen Fische - immerhin aber auch keine Kriminellen, mit denen Israel bei von außen erzwungenen Freilassungsaktionen die Palästinenser austrickste, sondern Häftlinge, die in den nächsten zwei bis drei Jahren ohnehin freigekommen wären. Doch diese Tatsache ist für die Bevölkerung praktisch bedeutungslos, wichtig ist für sie, dass es der Hisbollah im Gegensatz zu Arafat gelungen ist, sie frei zu kriegen, beziehungsweise Israel "in die Knie zu zwingen". Die Hisbollah hat in den letzten Monaten bereits mörderische Lebenszeichen in den palästinensischen Gebieten gegeben. Mit der von ihr erzwungenen Freilassung der 400 ist sie dort zu einer unübersehbaren politischen und militärischen Macht geworden. Wenn nun Arafat oder dessen ihm ergebener Ministerpräsident Ahmed Kurei versucht, einen neuen begrenzten Waffenstill-stand auszuhandeln, wird letztlich auch die radikale Hisbollah am Verhandlungstisch sitzen wollen. Damit rückt eine Waffenruhe in weitere Ferne, die Friedensbemühungen des Nahost-Quartettes entbehren der unabdingbaren Basis für ihre Wiederaufnahme.
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