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Lausitzer Rundschau: Zu Hartz IV/Proteste: Wut im Osten

Cottbus (ots)

Die Lausitzer Rundschau, Cottbus, zu Hartz
IV/Proteste:
Fast 90 000 Menschen gingen am Montag bundesweit auf die Straße,
um sich gegen Hartz IV Luft zu machen. Das ist sicher keine
Volksbewegung, aber eine Verdoppelung der Zahl aus der Vorwoche. Und
einmal mehr konzentrierte sich der Protest zwischen Rostock und Suhl.
Damit scheint sich das Klischee vom Jammerossi erneut zu
bewahrheiten. Nicht nur, dass der Osten ein Fass ohne Boden ist.
Seine Bewohner sind obendrein auch noch undankbar. Klingt eingängig,
ist deshalb aber lange nicht richtig. Was im Osten die Wut hoch-
kochen lässt, hat Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck
jetzt auf eine schlichte Formel gebracht: Es handele sich um ein
„Grundgefühl der Zweitklassigkeit“. Und die angefeindete
Arbeitsmarktreform sei dabei nur der Tropfen, der das Fass zum
Überlaufen gebracht hat. Dieser Befund lässt sich schwerlich
entkräften. Er manifestiert sich schon im Gesetz selbst. 14 Jahre
nach der deutschen Einheit ist der Langzeitarbeitslose West immer
noch mehr wert als sein Schicksalsgenosse im Osten. Wer in Hannover
lebt, erhält 345 Euro Arbeitslosengeld II. In Magdeburg sind es 14
Euro weniger. Am Ende wird sich mancher Ostdeutsche damit sogar
besser stellen als jetzt. Aber das tut wenig zur Sache. Die
Emotionen, von vornherein benachteiligt zu sein, sind stärker. Das
Grundübel ist freilich der krasse Mangel an Arbeitsplätzen.
Gelsenkirchen, ein Synonym für Düsternis im Ruhrpott, existiert im
Osten nahezu flächendeckend. Das heißt, durchschnittlich jeder Fünfte
hat keinen Job. Der Umstand wiegt deshalb so schwer, weil die
Arbeitsplatzquote zu DDR-Zeiten höher lag als in der Bundesrepublik
und längst nicht nur dem Broterwerb diente. Mit dem Beruf verbanden
sich auch kollektive Geselligkeit und gesellschaftliche Anerkennung.
Selbst wenn das heute im Osten die wenigsten vermissen mögen, so
bleibt für die allermeisten Betroffenen das peinliche Gefühl, auf
Almosen angewiesen zu sein. Und gegen die diffuse Angst, selbst das
bisschen Ersparte nun auch noch durch Hartz IV zu verlieren, kommt
auch keine Anzeigenkampagne der Bundesregierung an. Arbeit Suchende
würden „besser betreut und vermittelt“, heißt es darin verlockend. In
Breiten, die seit Jahren nur von Beschäftigungsgesellschaften für den
zweiten Arbeitsmarkt leben, dürfte das als glatter Hohn empfunden
werden. Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass die Bundesregierung mit
den Demonstrationen eine Quittung für den verfehlten Aufbau Ost
erhält.
ots-Originaltext: Lausitzer Rundschau

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Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481231
Fax: 0355/481247
Email: lr@lr-online.de

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