Lausitzer Rundschau: Zu Deutschland/Wirtschaftslage: Der Ast und die Säge
Cottbus (ots)
Die Lausitzer Rundschau, Cottbus, zu Deutschland/Wirtschaftslage:
Was läuft schief im alten Wirtschaftswunderland? Die Exporte boomen, die Infrastruktur ist hervorragend, das Engagement groß. Die Arbeitnehmer gelten als fleißig und gut ausgebildet, sie schlucken Sozialreformen und magere Lohnabschlüsse. Die großen Konzerne bilanzieren Milliardengewinne und die sparsamen Deutschen haben rund fünf Billionen Euro Nettovermögen angehäuft. Zusätzlich sind sich die gesellschaftlichen Gruppen einig, dass der Reformprozess weitergehen muss. Warum also funktioniert es nicht? Das deutsche System funktioniert nicht mehr, weil die wirklich Verantwortlichen kein Interesse daran haben. Die deutschen Unternehmer denken nunmehr global und die Fragen lauten: Wie hoch ist der Profit? Wie kann ich ihn noch steigern? Die Mitarbeiter, denen früher auch Fürsorge zuteil wurde, werden vornehmlich als Kostenfaktor betrachtet. Bundeswirtschaftsminister Clement sprach gestern beim Versuch der Erklärung der Massenarbeitslosigkeit vom Verantwortungsgefühl, das er bei vielen Wirtschaftsführern vermisst. Tatsächlich ist die Wirtschafts-Ethik der Bosse im Sinne des Wortes fragwürdig geworden. Mit emotionsloser Kühle kalkulieren, streichen, verlagern und feuern sie. Selbst dann, wenn es gar nicht nötig ist: Das Wirtschaftsblatt Euro beschrieb kürzlich die goldgeränderten Bilanzen der 30 DAX-Unternehmen. Bosse im Profitrausch hieß die Überschrift und die Milliardengewinne scheinen dies zu bestätigen. In krassem Gegensatz steht der anhaltende Arbeitsplatzabbau. Als Erkenntnis bleibt, dass das gesellschaftliche Sozialgefüge in Deutschland aus dem Lot geraten ist. Sollte diese Entwicklung anhalten, sägen die Unternehmen an dem Ast, auf dem wir alle sitzen. Da Wirtschaftserfolg ganz wesentlich auch auf psychologischen Faktoren beruht, muss deshalb das Kernübel beseitigt werden: die Verunsicherung der Menschen. Die gesamtwirtschaftliche Rechnung kann erst wieder aufgehen, wenn die Kultur der Verantwortung neu wahrgenommen wird.
ots-Originaltext: Lausitzer Rundschau
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